Ein seltener Sieg für Steuerpflichtige gegen die bislang herrschende Meinung in Literatur und Finanzverwaltung: Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 25. Februar 2025 (VIII R 41/23) entschieden, dass eine vom Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG auszunehmende „Einlage des Anteilseigners“ nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst sein muss. Damit ist ein lange diskutiertes Gestaltungsmodell offiziell anerkannt.
Der Streitfall – Einlagekonto auf null Euro festgesetzt
Der Streitfall begann bereits im Jahr 2009. Damals leistete der Alleingesellschafter einer GmbH eine Einlage von 10 Millionen Euro, die in der Kapitalrücklage der Gesellschaft verbucht wurde. In der Erklärung zum steuerlichen Einlagekonto tauchte diese Einlage jedoch nicht auf. Das Einlagekonto wurde deshalb zum 31. Dezember 2009 mit null Euro festgestellt, der Feststellungsbescheid bestandskräftig. Eine spätere Korrektur scheiterte aus verfahrensrechtlichen Gründen.
Im Jahr 2017 wandelte die GmbH die einlagebedingte Kapitalrücklage in Stammkapital um und erhöhte es dadurch um 10 Millionen Euro. Bereits im Jahr darauf wurde das Stammkapital wieder um denselben Betrag auf 25.000 Euro herabgesetzt und in die Kapitalrücklage zurückgeführt. In ihrer Feststellungserklärung für 2017 gab die Gesellschaft den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 10 Millionen Euro an. Das Finanzamt folgte dem nicht, stellte das Einlagekonto erneut mit null Euro fest und setzte zugleich einen Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG in Höhe von 10 Millionen Euro an. Das Finanzgericht München bestätigte diese Sichtweise.
BFH erkennt Gestaltungsmodell an
Der BFH hob die Entscheidungen von Finanzamt und Finanzgericht auf. Maßgeblich sei allein, dass die umgewandelte Rücklage tatsächlich aus einer Einlage der Gesellschafter stamme. Ob diese im steuerlichen Einlagekonto erfasst wurde, sei für die Ausnahme vom Sonderausweis nicht entscheidend. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, eine steuerfreie Ausschüttung thesaurierter Gewinne zu verhindern. Bei echten Einlagen bestehe dieses Risiko nicht. Mit dieser Auslegung widerspricht der BFH ausdrücklich der bislang vorherrschenden Meinung in der Literatur und der Auffassung der Finanzverwaltung, die allein auf den Stand des steuerlichen Einlagekontos abstellt.
Mit dem Urteil ist ein in der Praxis schon lange diskutiertes Gestaltungsmodell höchstrichterlich anerkannt. Es erlaubt, einen fehlerhaft festgestellten Nullbestand des Einlagekontos zu „heilen“, indem eine Kapitalrücklage, die auf einer nicht erklärten Einlage beruht, zunächst durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in Stammkapital umgewandelt und anschließend wieder herabgesetzt wird. Erfolgt die Rückzahlung des herabgesetzten Stammkapitals an den Gesellschafter, führt dies nicht zu einer steuerpflichtigen Dividende, da kein Sonderausweis gebildet wird.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz. Deklarationsfehler bei der Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos sind in der Praxis erstaunlich häufig. Zwar sollte zunächst immer geprüft werden, ob eine verfahrensrechtliche Korrektur – etwa nach § 129 AO – möglich ist. Ist dies nicht der Fall, kann das vom BFH bestätigte Modell eine steuerlich sinnvolle Lösung sein, insbesondere wenn zeitnah eine Ausschüttung geplant ist. Brisant ist, dass der BFH selbst bei weniger als 14 Monaten zwischen Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung keinen Gestaltungsmissbrauch erkannt hat.
Das Urteil des BFH ist mehr als nur die Klärung einer Spezialfrage zu § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG – es ist ein Paukenschlag für die Beratungspraxis. Jahrelang galt die Auffassung, dass nur im steuerlichen Einlagekonto erfasste Beträge vor der Sonderausweis-Falle schützen können. Diese Sichtweise hat der BFH nun in aller Deutlichkeit verworfen.
Signalwirkung
Die Signalwirkung ist klar: Der BFH stellt den materiellen Einlagebegriff über formale Erklärungspflichten. Das bedeutet nicht, dass Nachlässigkeit bei der Einlagenerklärung folgenlos bleibt – verfahrensrechtliche Korrekturen bleiben der erste Weg. Aber es heißt, dass ein einmal gemachter Deklarationsfehler nicht zwangsläufig zu einer steuerlich nachteiligen Behandlung führt, wenn die Einlage zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.
Für Berater eröffnet das Urteil einen zusätzlichen Handlungsspielraum, um Mandanten vor unnötigen Steuerbelastungen zu bewahren. Dass der BFH dabei weder von Gestaltungsmissbrauch spricht noch eine zeitliche Sperre zwischen Kapitalerhöhung und -herabsetzung fordert, macht das Modell noch attraktiver.
Das Urteil ist ein deutliches Signal an die Finanzverwaltung: Form darf nicht über Substanz stehen. Und für die Praxis ist es die Bestätigung, dass kreative, aber saubere Gestaltungen ihren Platz im Steuerrecht haben – selbst wenn sie der Verwaltung nicht gefallen.
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater, LL.M.
- Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit (IFU/ISM gGmbH)
- Mitarbeiter in der Steuerabteilung von BW PARTNER, Stuttgart
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