Bundesregierung beschließt Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Bunderegierung hat am 2.9.2020 eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis 31.12.2020 bei Überschuldung beschlossen. Was ist davon zu halten?

Hintergrund

Nach § 15a S. 1 Insolvenzordnung (InsO) muss der Vertreter einer juristischen Person (z.B. einer GmbH oder AG) und nach § 42 Abs. 2 BGB der Vorstand eines Vereins bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Durch das COVInsAG, das Bestandteil des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (v. 27.3.2020, BGBl 2020 I S. 569) ist, ist diese Pflicht rückwirkend ab 1.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt worden.

Auch das Recht der Gläubiger, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für zahlungsunfähige oder überschuldete Schuldner zu beantragen (so genannte Gläubigerfremdanträge oder Fremdanträge) gilt für Anträge, die zwischen dem 28.3. und 28.6.2020 gestellt worden sind.  Das Insolvenzverfahren wird nur dann eröffnet, wenn der Insolvenzgrund bereits am 1.3.2020 vorlag (§ 3 COVInsAG).

Ziel dieser Sonderregelung ist es, die Fortführung von Gesellschaften zu ermöglichen, die durch die COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind und ohne dieses Gesetz insolvent wären. Ihnen soll die Zeit gegeben werden, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen und mit Gläubigern und Kapitalgebern Finanzierungsvereinbarungen (z.B. Darlehen) und Sanierungsabreden (z.B. Schuldenschnitte) zu verabreden, um die wirtschaftliche Schieflage in den Griff zu bekommen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht setzt voraus, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit erfordert sie außerdem, dass Aussichten darauf bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Die Insolvenzantragspflicht ist nur solange ausgesetzt, wie tatsächlich Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Bestehen keine Aussichten mehr, muss unverzüglich ein Insolvenzantrag gestellt werden.

Was ist im Rahmen der Verlängerung geplant?

Die Aussetzung der Antragspflicht läuft eigentlich zum 30.9.2020 aus. Sie soll nun bis zum 31.12.2020 verlängert werden, der Vorschlag des BMJV sah sogar eine Verlängerung bis 31.3.2021 vor. Der Gesetzentwurf soll nach der Befassung im Kabinett von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht und dort zügig behandelt werden.

Die Verlängerung soll allerdings nur für Unternehmen gelten, die infolge der Coronavirus-Pandemie überschuldet sind, ohne zahlungsunfähig zu sein. Denn anders als bei zahlungsunfähigen Unternehmen bestehen nach Ansicht der Bundesregierung bei überschuldeten Unternehmen Chancen, die Insolvenz dauerhaft abzuwenden. Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, können dagegen ihre fälligen Verbindlichkeiten schon jetzt nicht mehr bezahlen. Um das erforderliche Vertrauen in den Wirtschaftsverkehr zu erhalten, sollen diese Unternehmen daher nicht in die Verlängerung einbezogen werden. Das ergibt sich aus der vom Bundeskabinett verabschiedeten Formulierungshilfe.

Bewertung

Die Aussetzung der Antragspflicht sorgt dafür, dass ursprünglich gesunde Unternehmen, die ohne ihr Zutun in die Corona-Krise geraten sind, eine Überlebensperspektive erhalten. Dies wirkt sich auch gesamtwirtschaftlich positiv aus, weil weiterhin auch Unternehmen am Markt agieren, die eigentlich insolvent wären, im Kern aber überlebensfähig und damit in der Lage, dauerhaft Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings dürfen solche Ausnahmeregelungen nicht länger gelten als in der Corona-Krise unbedingt erforderlich. Denn andernfalls wird die Aussetzungsregelung zu einer „Herz-Lungen-Maschine“ für ohnehin nicht dauerhaft überlebensfähige Unternehmen. Dies hindert nicht nur den in einer liberalen Wirtschaftsordnung üblichen natürlichen Ausleseprozess mit einer Bereinigung der Marktteilnehmer, sondern beeinträchtigt Gläubigerinteressen.

Für Zulieferer etwa besteht die Gefahr, dass sie weiter an Unternehmen liefern, die überschuldet und damit langfristig nicht mehr zahlungsfähig sind. Der gutgemeinte Verlängerungsbeschluss des Bundeskabinetts trägt daher das große Risiko in sich, dass die Pleitewelle von Herbst 2020 künstlich um drei Monate verlängert wird. Allerdings ist auch nicht ausgeschlossen, dass im Hinblick auf die anstehende Umsetzung der EU-RestrukturierungsRL in 2021 im nächsten Jahr abermals umfangreiche Änderungen im Insolvenzrecht erfolgen werden.

Quellen


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