Bundestag verlängert „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ – Was bedeutet das für unsere Freiheitsrechte?

Der Bundestag hat am 25.8.2021 weiterhin eine „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ festgestellt. Damit hat die Bundesregierung weiterhin weitreichende Regelungsbefugnisse – auch ohne Beteiligung des Parlaments.

Hintergrund

Zuerst hatte der Bundestag am 25.3.2020 mit Wirkung ab 28.3.2020 die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt (BGBl. I 2020 S. 587), die dem Bund besondere Befugnisse nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) verleiht, etwa zum Erlass von Rechtsverordnungen und Anordnungen. Danach hatte der Bundestag die Feststellung schon am 18.11.2020 sowie am 4.3.2021 verlängert. Der letzte Bundestagsbeschluss zur Verlängerung der Feststellung datierte vom 11.6.2021. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt nach dem Gesetz als aufgehoben, wenn der Deutsche Bundestag nicht spätestens drei Monate nach deren Feststellung das Fortbestehen beschließt (§ 5 Abs. 1 S. IfSG). Das wäre aktuell am 11.9.2021 der Fall gewesen. Mit dem Bundestagsbeschluss vom 25.8.2021 wird die Feststellung nun bis 30.11.2021 verlängert.

Verstößt die Verlängerung der epidemischen Notlage nicht gegen Freiheitsrechte?

Zugegeben: Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei und wir erleben aktuell eine weitere dynamische Ausbreitung des Coronavirus, vor allem handelt es sich inzwischen um eine „Pandemie der Nichtgeimpften“. Diese Situation darf nicht unterschätzt werden, von Entwarnung sind wir noch weit entfernt. Fakt ist aber auch: Am 25.8.2021 waren nach RKI-Angaben 64,4% der deutschen Bevölkerung erstgeimpft, 59,4% vollständig geimpft. Auch ein Kollaps des deutschen Gesundheitssystems durch Corona-Fälle ist bislang nicht eingetreten noch absehbar zu besorgen; eine wichtige Erkenntnis, nachdem nicht mehr maßgeblich an Inzidenzzahlen, sondern mehr an die COVID19-Hospitalisierungsraten angeknüpft werden soll.

Vor diesem Faktenhintergrund ist es meines Erachtens unverhältnismäßig der Bundesregierung, also der Exekutive, weiter umfassende Eingriffsrechte in Grundrechte von Bürgern und Unternehmen ohne Beteiligung des Parlaments einzuräumen. Eine solch weitreichende Ermächtigung ist zum Schutz Nichtgeimpfter verfassungsrechtlich weder erforderlich noch Geimpften zumutbar, die weiterhin eine massive Einschränkung ihre Freiheitsrechte tolerieren sollen. Völlig verständlich also, dass zwar 325 Parlamentarier für die Verlängerung, aber auch 253 dagegen votiert haben.

Wer schützt jetzt aber die Freiheitsrechte derjenigen, die durch die Notstandsgesetzgebung Einschränkungen hinnehmen sollen? Teile der Opposition haben bereits signalisiert, das BVerfG über die Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) einschalten zu wollen, um die Verfassungskonformität der abermaligen Verlängerung prüfen zu lassen. Ein solches Verfahren kann allerdings dauern – jedenfalls deutlich über den 30.11.2021 hinaus. Und dass sich das BVerfG zu einer einstweiligen Anordnung (§ 32 BVerfGG) durchringt und die Verlängerung kippt, ist wenig wahrscheinlich: Das hat schon beim verfassungsrechtlichen Angriff auf die Bundesnotbremse nicht funktioniert. So bleibt unter dem Strich die nüchterne Erkenntnis, dass wir die abermalige Fortschreibung der epidemischen Notlage schutzlos hinzunehmen haben….

Quellen:

  • Gesetz zur Feststellung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite, BGBl. I 2020 S. 587; BGBl I 2021 S. 802, 1824
  • T- Drs. 19/32091

 

 

 

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