BVerwG: Corona-Infektion ist kein Dienstunfall!

Die Anerkennung eines Dienstunfalls setzt voraus, dass sich Ort und Zeitpunkt des Unfallereignisses bestimmen und der Dienstausübung zuordnen lassen. Dies gilt auch für eine Corona-Infektion, hat das BVerwG ganz aktuell entschieden (BverwG v. 26.6.2025 – 2 A 10.24).

Worum ging’s im Streitfall um einen „viralen“ Dienstunfall?

Der Kläger ist Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 BbesO) im Dienst der beklagten Bundesrepublik Deutschland und ist beim Bundesnachrichtendienst tätig. Während einer Auslandsdienstreise im Oktober 2022 traten bei ihm coronatypische Erkrankungssymptome auf.

In den folgenden Tagen durchgeführte Corona-Schnelltests wiesen eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 nach, ebenso ein nach Rückkehr im Inland durchgeführter PCR-Test. Im Rahmen seiner Dienstunfallanzeige führte der Kläger die Infektion auf eine vor Antritt der Dienstreise im Dienstzimmer seines Vorgesetzten durchgeführte Videokonferenz zurück, an der er – ebenso wie sein im Anschluss positiv auf das Corona-Virus getesteter Vorgesetzter − ohne FFP2-Maske teilgenommen hatte.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der Corona-Infektion als Dienstunfall ab. Dagegen klagte der Kläger mit dem Ziel der Anerkennung der Corona-Infektion als Dienstunfall.

Wie hat das BVerwG entschieden?

Das BVerwG, das erst – und letztinstanzlich zuständig ist – hat die Klage abgewiesen. Die Anerkennung als Dienstunfall setzt voraus, dass das Unfallereignis in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Für den damit erforderlichen Nachweis des Kausalzusammenhangs reicht es nicht aus, dass eine Ansteckung während des Dienstes als plausible Möglichkeit aufgezeigt worden ist. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Beweis des ersten Anscheins berufen.

Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass sich eine Person, die sich während einer Videokonferenz mit einer anderen, später positiv getesteten Person in einem Raum befindet, mit dem Corona-Virus infiziert.

Dem Kläger kommen auch die für Infektionskrankheiten auf der Grundlage der Berufskrankheiten-Verordnung geltenden Erleichterungen der Anerkennung eines Dienstunfalls nicht zugute. Er war durch seine Tätigkeit der Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus nicht in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt wie in den gesetzlich genannten Fällen einer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium.

Einordnung und Auswirkungen auf die Praxis?

Ein Dienstunfall ist ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (§ 31 Abs.1 S.1 BeamtenVG). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Körperschaden bestehen. Eine bloße „Gelegenheitsursache“ liegt vor, wenn der Schaden auch ohne den Dienst hätte eintreten können. Es liegt dann kein Dienstunfall vor.

Wird ein Dienstunfall anerkannt, können Ansprüche auf Unfallfürsorge geltend gemacht werden, wie z.B. Heilbehandlung, Unfallausgleich, Unfallruhegehalt oder Hinterbliebenenversorgung. Das Merkmal „in Ausübung des Dienstes“ verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst. Denn die Dienstvorsorge besteht in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten. Also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird (BVerwG v. 13.7.2023 – 2 C 3.22).

Weitere Fälle und Fazit

Auch in anderen Bereichen des Arbeitslebens mussten sich die Gerichte wiederholt mit der Frage befassen, ob eine Corona-Infektion zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls führt. Das Problem hierbei ist, dass eine Ansteckung mit dem Coronavirus schwer rekonstruierbar ist. Um als „Arbeitsunfall“ zu gelten, muss die Infektion am Arbeitsplatz sicher nachgewiesen sein.

Auch in einem Verfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 27.5.2025, L 3 U 174/23) fehlte nach Ansicht des Gerichts der erforderliche Beweis dafür, dass die Übertragung mit dem COVID-19-Virus tatsächlich am Arbeitsplatz erfolgt sei. Als Argument reiche nicht aus, dass das Risiko bei der Arbeit wegen einer größeren Anzahl an Kontakten höher gewesen sei als im Privatbereich.

In gleichem Sinne hatte bereits vorher das LSG Baden-Württemberg geurteilt (LSG Baden-Württemberg v. 29.4.2024, L 1 U 2085/23).

Fazit: Der Nachweis einer am Arbeitsplatz erfolgten Corona-Infektion ist praktisch kaum zu führen, die Anerkennung einer Corona-Infektion als Arbeits- oder Dienstunfall ist deshalb meist unmöglich.

Weitere Informationen

 

People in a masks stands on the street

                                                                            (c) freepik – prostooleh

 

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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