Das Ende des steuerfreien Paradieses für selbst hergestellte Kryptowährungseinheiten im Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 EStG?

Mit dem am 10. Mai 2022 veröffentlichten Anwendungsschreiben zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstiger Token hat sich das BMF zu seiner steuerlichen Sichtweise in Bezug auf die Kryptowährungen und deren steuerlichen Relevanz positioniert. In meinem NWB-Blog-Beitrag vom 1. Juni 2022 bin ich bereits überblicksmäßig auf das Schreiben eingegangen. Im Folgenden wird v.a. der steuerliche Aspekt des Mining thematisiert, wobei die Grundthematik und Relevanz u.a. auch auf Staking-Sachverhalte übertragen werden kann.

Nach Auffassung des BMF gelten selbst hergestellte Einheiten von Kryptowährungen (wie Bitcoins) als angeschafft und nicht als hergestellt. Dies mag zuerst eine begriffliche Feinheit sein, doch wie im wahren Leben steckt der Teufel im Detail und die Nuance kann eine extreme Reichweite haben.

Im vorliegenden Fall wird dies besonders deutlich, denn mit dem vorgenannten Schreiben stellt sich das BMF explizit gegen die bislang für den Rechtsanwender als Orientierungspunkt anzusehende Auffassung bzw. Verlautbarung der Finanzbehörde Hamburg vom 11. Dezember 2017. In dieser hat die Finanzbehörde Hamburg – in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturmeinung – zur steuerlichen Beurteilung von selbst hergestellten Einheiten von Kryptowährungen Stellung genommen und dargelegt, dass nach ihrer Auffassung der Anwendungsbereich des privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG für selbst hergestellte Kryptowährungseinheiten nicht eröffnet sei, da bei diesen mangels Erwerb keine Anschaffung gegeben sei; folgerichtig könne § 23 EStG keine Anwendung finden. Unter Bezugnahme dieser Rechtsauffassung erschien es angezeigt, selbst hergestellte Kryptowährungseinheiten (im Privatvermögen) als steuerfrei zu behandeln. Demgegenüber war für angeschaffte Kryptowährungen eine Steuerpflicht zu prüfen (unter Beachtung der Haltefrist, Freigrenze etc.).

Die nunmehr vom BMF geäußerte konträre Ansicht dürfte den Traum an das steuerfreie Paradies beendet haben. Zumal das BMF-Schreiben auf alle offenen Fälle (kein Vertrauensschutz) anzuwenden ist. Konkret bedeutet dies: Die bislang als steuerfrei deklarierten/behandelten Veräußerungen von privat hergestellten virtuellen Währungen sind nach Ansicht des BMF der Besteuerung zu unterwerfen. Sowohl Steuerpflichtige als auch die steuerberatende Praxis sollten diesen Aspekt und die daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen simulieren und entsprechende Vorkehrungen/Handlungen durchführen. Sollte der Auffassung des BMF nicht gefolgt werden, empfiehlt es sich, dies auch in geeigneter Art und Weise darzulegen.

Retrospektiv betrachtet darf somit die Hoffnung geäußert werden, dass die Sachverhalte seitens des Steuerpflichtigen/des Steuerberaters bereits im adäquaten Umfang gegenüber dem Finanzamt dargelegt wurden, da u.a. vermehrt Fälle im Kontext des Steuerstrafrechts auftreten.

In Anbetracht dessen kann der Appell für eine nachvollziehbare Darlegung von Kryptowährungssachverhalten gegenüber dem Finanzamt nicht oft genug wiederholt werden!

Darüber hinaus sollte auch die Möglichkeit des Bestreitens des Rechtsbehelfsverfahrens geprüft respektive auf das beim BFH anhängige Verfahren zur „Wirtschaftsgutfrage“ von virtuellen Währungen (Az. IX R 3/22; Vorinstanz: FG Köln, Urteil vom 25.11.2021, Az. 14 K 1178/20) verwiesen werden.

Aufgrund der Tatsache, dass zum Teil erhebliche steuerliche Bemessungsgrundlagen mit der vom BMF geäußerten profiskalischen Sichtweise (für den Staat) zur Disposition stehen, ist zu erwarten, dass künftige finanzgerichtliche Entscheidungen diesbezüglich in Erscheinung treten werden.

Ferner ist ratsam, sich bereits jetzt mit einer Argumentationslinie auseinanderzusetzen, um der vom BMF grundsätzlich unterstellten gewerblichen Tätigkeit bei Mining-Aktivitäten entgegenwirken zu können – denn im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit wird die Frage des „Anschaffungs- und Herstellungsbegriffs“ im Kontext des privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG obsolet. Demzufolge sind mehrere Facetten im Blick zu behalten, um nicht an der „falschen Stelle“ zu „kämpfen“.

Im Ergebnis zeigt sich, dass wohl nur eine nachvollziehbare Art und Weise der Offenlegung im Deklarations- und Veranlagungsprozess vor ungewollten Rechtsfolgen bzw. vor steuerstrafrechtlichen Ermittlungen schützen kann.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
Endlich liegt das finale BMF-Schreiben „zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“ vor!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 2 = 3