Das unliebsame Betriebsratsmitglied: Keine Benachteiligung eines Betriebsratss bei Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Das BAG hat aktuell entschieden (BAG 18.6.2025 – 7 AZR 50/24), dass ein befristetes Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der später in den Betriebsrat gewählt wird, grundsätzlich endet, ohne dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Wie ist das einzuordnen?

Hintergrund

Der Betriebsrat soll dem Arbeitgeber als Korrektiv und Verhandlungspartner auf Augenhöhe entgegentreten. Er soll den Arbeitgeber insbesondere daran hindern, seine Interessen gegen die der Arbeitnehmer durchzusetzen, ohne deren Interessen zu berücksichtigen. Damit muss ein Betriebsrat immer mal wieder gegen die Interessen des Arbeitgebers handeln. Das verleitet Arbeitgeber aus Sicht von Betriebsratsmitgliedern gelegentlich dazu, den Betriebsrat als Gegner zu betrachten. Der Gesetzgeber stellt deshalb Mitglieder des Betriebsrates unter besonderen Schutz: Betriebsratsmitglieder genießen nach § 15 Abs. 1 KSchG Sonderkündigungsschutz. Ein Arbeitgeber kann einem Betriebsratsmitglied nur dann wirksam kündigen, wenn die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen; außerdem muss der Betriebsrat der Kündigung zustimmen (§ 103 BetrVG). Was aber gilt, wenn das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds befristet ist und das Befristungsende eintritt? Mit einer solchen Fallkonstellation musste sich aktuell das BAG befassen.

Worum gings´ im Streitfall?

Der Kläger hatte Anfang 2021 einen zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag beim beklagten Arbeitgeber, der später um ein weiteres Jahr bis Mitte Februar 2023 verlängert wurde. Im Sommer 2022 wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt. Von 19 befristet beschäftigten Arbeitnehmern, erhielten 16 das Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Der Kläger erhielt dieses Angebot nicht.

Mit seiner Klage hat er sich gegen die Wirksamkeit der Befristung gewandt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zu den bisherigen Bedingungen verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterbliebene „Entfristung“ seines Arbeitsverhältnisses beruhe allein auf seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat. Zwar habe die Beklagte mit anderen Betriebsratsmitgliedern unbefristete Arbeitsverträge geschlossen, diese hätten aber anders als der Kläger nicht auf der Gewerkschaftsliste für den Betriebsrat kandidiert. Die Beklagte hat sich dagegen darauf berufen, sie sei mit der Arbeitsleistung und dem persönlichen Verhalten des Klägers nicht so zufrieden gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis habe unbefristet fortführen wollen. Die Betriebsratstätigkeit des Klägers habe bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt. Arbeitsgericht und LAG (LAG Niedersachsen, Urteil v. 9.1.2024 – 11 Sa 476/23) haben die Klage abgewiesen.

Wie hat das BAG entschieden?

Auch das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen, eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Betriebsratstätigkeit sei nicht erkennbar gewesen. Nach dem BAG gilt Folgendes:

  • Ein nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zulässig befristetes Arbeitsverhältnis endet auch dann mit Ablauf der vereinbarten Befristung, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt worden ist.
  • Die Wahl eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers in den Betriebsrat bedingt keine Unwirksamkeit der Befristung. Eine solche Annahme ist auch durch das Recht der Europäischen Union nicht zwingend vorgegeben. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist durch die Vorschrift des § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wonach es in der Ausübung seiner Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden darf, hinreichend geschützt.
  • Benachteiligt der Arbeitgeber allerdings das befristet beschäftigte Betriebsratsmitglied, indem er diesem wegen des Betriebsratsmandats keinen Folgevertrag anbietet, hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf den Abschluss des verweigerten Folgevertrags als Schadensersatz.

Bewertung

Das BAG-Urteil belegt: Auch die Mitgliedschaft in einem Betriebsrat vermittelt dem Arbeitnehmer keinen absoluten Schutz vor Verlust des Arbeitsplatzes. Das Behinderungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG greift nicht ein, wenn ein Arbeitsverhältnis von vornherein befristet war und der Arbeitgeber plausibel darlegt, dass der Umstand der Betriebsratstätigkeit bei der Entscheidung über eine Entfristung und Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers keine Rolle gespielt hat. Ein strikter Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis folgt aus der Betriebsratstätigkeit also nicht.

Weitere Informationen:

Arbeitsrecht | Befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds – Benachteiligungsverbot

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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