Die Energiepreispauschale oder der misslungene Spagat des Gesetzgebers

Die Energiepreispauschale entwickelt sich – bei allem Verständnis für das Anliegen, die Bürger zu entlasten – zunehmend zu einem gesetzgeberischen Desaster. Die handwerklichen Fehler sind nicht mehr zu übersehen. So wird es Haushalte geben, die vollkommen leer ausgehen, während andere Haushalte (Rentner-Ehepaar mit Minijobs) die Pauschale gleich viermal kassieren. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich gönne jedem Einzelnen die Pauschale, gerne auch doppelt. Aber es muss gerecht zugehen.

Nun komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen, nämlich einem höchst interessanten Beschluss des Amtsgerichts Norderstedt. In dieser Entscheidung wird die Energiepreispauschale fast schon genussvoll auseinandergenommen (AG Norderstedt, Beschluss vom 15.9.2022, 66 IN 90/19/iww.de).

Zunächst geht es – ganz profan – um die Frage, ob die Energiepreispauschale von 300 Euro pfändbar ist. Antwort: Ja, das ist sie. Zwar nicht im Zuge einer Lohnpfändung, aber ganz allgemein bleibt sie pfändbar. Die Pauschale wird nämlich – bei Arbeitnehmern – wie Arbeitslohn versteuert, aber es ist halt kein Arbeitslohn. Mangels Arbeitslohn kann eine Lohnpfändung nicht erfolgen, aber eine normale Pfändung durch einen Gerichtsvollzieher bzw. im Rahmen des Insolvenzverfahrens ohne Weiteres. Das dürfte viele Gläubiger erfreuen und Schuldner beunruhigen.

Die FAQ des BMF zur Energiepreispauschale (Stand 22.9.2022, Punkt VI.27) lauten: „Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich.“ Das ist zwar richtig, gibt aber eben nur die halbe Wahrheit wieder.

Ich möchte hier nicht die ganze Begründung der Entscheidung des AG Norderstedt darstellen, sondern lediglich einige Passagen herausgreifen, die es „in sich haben“. Und los geht´s:

„Es ist nach Ansicht des Gerichts schon nicht ganz klar, welchen Zweck die Energiepreispauschale verfolgt. Nach subjektivem Eindruck des Gerichts suggerieren die Wortwahl („Energiepreispauschale“) und auch die mediale Berichterstattung zwar den Zweck, gestiegene Energiekosten abzumildern. …… Konkret zur Energiepreispauschale wird der Zweck allerdings „nur“ noch als Ausgleich für die kurzfristig und drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen von Arbeitnehmern definiert (BT.-Drucks. 20/1765, S. 23).

Neben dieser Unklarheit, welchen genauen Zweck die Energiepreispauschale verfolgt, ist weder an irgendeiner Stelle die Abtretung oder (Ver-) Pfändung ausgeschlossen worden noch ist die Einsetzbarkeit der Mittel wie im Falle der Corona-Soforthilfe beschränkt worden. Im Gegenteil, es steht dem Schuldner frei zu entscheiden, wofür er die Energiepreispauschale ausgibt. Er kann sich z.B. dazu entscheiden, sie in Altschulden, Dinge des täglichen Bedarfs oder aber auch Luxusgüter zu investieren. Es gibt keine Beschränkung und auch keine Rückzahlungsverpflichtung bei nicht zweckentsprechendem Gebrauch  …..  Überlegt werden kann noch, ob es sich bei der Energiepreispauschale um eine Sozialleistung handelt, die gem. § 54 SGB I (teilweise) unpfändbar sein könnte. Zumindest geht das Bundesfinanzministerium davon aus, dass es sich um eine Sozialleistung handele (Homepage, FAQ-Bereich zur Energiepreispauschale, Stand 31.08.2022 a.E.). Diese Auffassung teilt das Gericht jedoch nicht.

Genau genommen handelt es sich bei der Energiepreispauschale ja noch nicht einmal um eine Zahlung, sondern um einen Steuerverzicht. ….. Mit der Energiepreispauschale ist auch keinerlei Bedürftigkeitsprüfung oder Rückzahlungsverpflichtung verbunden. Das spricht nach hiesiger Ansicht ebenfalls gegen die Annahme, es handele sich um eine Sozialleistung.

Auch scheint sich der Gesetzgeber nach Ansicht des Gerichts selbst von der Eingruppierung als Sozialleistung abgegrenzt zu haben. …..“

Fazit: 

  1. Die Energiepreispauschale ist pfändbar.
  2. Der Gesetzgeber hat sich selbst ausgetrickst, als er versucht hat, irgendwo den Spagat zwischen steuerpflichtigem Einkommen, Sozialleistung, zweckgebundener Zahlung und dann doch wiederum auflagenfreier Leistung zu vollführen.

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