Erstmalige Günstigerprüfung für Kapitaleinkünfte nach Minderung von Beteiligungseinkünften

Der BFH stellt in einem aktuellen Verfahren klar, dass eine geänderte Höhe der Einkünfte nach Eintritt der Bestandskraft, die erstmals eine erfolgreiche Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ermöglicht, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist.

Unbefristeter Antrag auf Günstigerprüfung

Der Antrag auf Günstigerprüfung muss nicht bereits im Rahmen der Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt werden. Insbesondere, wenn der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG nach den bei Erklärungserstellung bekannten Einkünften offenkundig erfolglos wäre, muss der Antrag nicht rechtswahrend „ins Blaue hinein“ gestellt werden. Der Antrag kann vielmehr solange gestellt werden, wie eine Änderungsvorschrift nach der AO oder den Einzelsteuergesetzen greift.

Geänderte Beteiligungseinkünfte – neue Günstigerprüfung

Häufige und beträchtliche Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung ergeben sich nach erstmaligem Eintritt der Bestandskraft infolge der geänderten Zurechnung von Beteiligungseinkünften, die im Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO berücksichtigt werden. Mindern sich die Einkünfte insoweit, kann die tarifliche Besteuerung erstmals günstiger sein als die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von 25 %. Der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG kann erstmals erfolgreich – und sinnvoll – gestellt werden. Verfahrensrechtlich stützt der BFH die spätere, erstmalige Günstigerprüfung mit steuermindernder Auswirkung auf ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

„Dauerschleife“ möglich

Im durch den BFH entschiedenen Einzelfall ergab sich ein deutliches Ergebnis. Vormals zugerechnete hohe Beteiligungseinkünfte wurden auf null reduziert und die tarifliche Einkommensteuer auf die Kapitaleinkünfte fiel hierdurch unter 25 %. Den Sachverhalt weitergesponnen kann sich aber auch ein langes Wechselspiel anschließen. Denn werden aus der gleichen oder aus anderen Beteiligungen später wieder oder erstmals höhere Einkünfte zugerechnet, könnte die Günstigerprüfung wiederum negativ ausfallen. Der Einkommensteuerbescheid wäre zu ändern, die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Abgeltungsteuer zu unterwerfen. Und so weiter…

Fazit:

Finanzbehörden und Berater brauchen bei Umsetzung der BFH-Rechtsprechung in Einzelfällen langen Atem – und müssen den Überblick behalten.

Weitere Informationen:
BFH-Urteil vom 14.07.2020, VIII R 6/17

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