Es bleibt dabei: Müllwerker haben keine erste Tätigkeitsstätte

Hat ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte, darf er Verpflegungspauschalen nur dann steuerlich abziehen, wenn er länger als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich abwesend ist. Ohne erste Tätigkeitsstätte reicht eine mehr als achtstündige Abwesenheit von der Wohnung allein aus. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Steuerpflichtige um die Frage des Vorliegens einer ersten Tätigkeitsstätte streiten.

Im Jahre 2021 gab es zunächst eine ganze Serie von BFH-Urteilen, etwa zur Lokführern einer Werksbahn, zu Rettungsassistenten, zu Postzustellern oder zu Mitarbeitern des allgemeinen Ordnungsdienstes, die für die betroffenen Steuerpflichtigen jeweils negativ waren (vgl. z.B. BFH 12.7.2021, VI R 9/19).

Doch dann gab es einen kleinen Lichtstreif am Horizont:  Der Betriebshof eines Müllwerkers ist keine erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und -schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert (BFH 2.9.2021, VI R 25/19). Damit können Müllwerker zumindest prinzipiell Verpflegungsmehraufwendungen steuerlich geltend, wenn sie mehr als acht Stunden von ihrer Wohnung abwesend sind. Sie müssen nicht zusätzlich mehr als Stunden vom Betriebshof abwesend sein.

Meinen damaligen Blog-Beitrag zu dem Thema (Erste Tätigkeitsstätte: Mitarbeiter des Ordnungsamts ja, Müllwerker nein) habe ich mich mit dem Hinweis versehen, dass sich Müllwerker aber nicht zu früh freuen sollten. Der BFH sieht den Abzug der Pauschalen bei Müllwerkern zwar grundsätzlich als zulässig an. Allerdings konnte er nicht abschließend entscheiden und hatte die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese musste nun prüfen, welche Tätigkeiten der Kläger auf dem Betriebshof beim Arbeitsbeginn und auch bei seiner Rückkehr tatsächlich ausgeführt hat und ob er diese arbeitsrechtlich schuldete.

Nun liegt die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vor: Es bleibt dabei, dass ein Müllwerker auf dem Betriebshof des Entsorgers keine erste Tätigkeitsstätte hat und daher bei einer Abwesenheit von der Wohnung von mehr als acht Stunden pro Arbeitstag die gesetzlichen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen beanspruchen kann (Gerichtsbescheid vom 16.6.2022, 16 K 4259/17/NWB Online-Nachricht).

Das Gericht kommt – im Rahmen der Prüfung nach den Kriterien des BFH – zu dem Ergebnis, dass tatsächlich keine erste Tätigkeitsstätte vorlag. Auch längere regelmäßige Wartezeiten durch den Stau ausrückender Müllfahrzeuge sowie nur gelegentliche Verrichtungen wie die Veranlassung von Reparaturen bei Beschädigungen oder Defekten an Müllfahrzeugen, die gelegentliche Reinigung von Fahrzeugen und die Betankung von gasbetriebenen Fahrzeugen an der Gastankstelle auf dem Betriebshof begründen keine erste Tätigkeitsstätte – so die Richter.

Die beiden Entscheidungen werden viele Müllwerker erfreuen, da sie „echtes Geld bedeuten“. Der Vollständigkeit halber: Ohne erste Tätigkeitsstätte sind die Fahrten zum Betriebshof mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer abziehbar. Die Entscheidungen betreffen also nicht nur die Mehraufwendungen für Verpflegung.

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