Firmenfahrrad: Müssen erkrankte Arbeitnehmer Leasingraten übernehmen?

Die Überlassung von Fahrrädern durch Arbeitgeber wird zunehmend beliebter. Doch nicht immer möchte der Arbeitgeber die Kosten für das Fahrrad übernehmen. Oftmals verzichten Mitarbeiter daher für die Überlassung eines Fahrrades auf einen Teil des Gehalts. Dieser Verzicht entspricht dann in der Regel der Leasingrate einschließlich Versicherung, die der Arbeitgeber seinerseits zu zahlen hat.

Neben steuerlichen Fragen rund um die Gestellung von Dienstfahrrädern geht es zuweilen auch um arbeitsrechtliche Belange, z.B. wie zu verfahren ist, wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt ist und daher Krankengeld statt Arbeitslohn bezieht. Müssen dem Arbeitgeber dann trotzdem die Leasingraten „ersetzt“ werden?

Jüngst hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage eines Arbeitgebers abgewiesen, der auf Zahlung der Leasingraten durch seine erkrankte Arbeitnehmerin nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung pochte (Urteil vom 5.11.2019, 3 Ca 229/19, rechtskräftig).

Der Fall:

Der Arbeitgeber vereinbarte mit seiner Arbeitnehmerin die Gestellung von zwei Diensträdern für einen Zeitraum von 36 Monaten. Die Arbeitnehmerin verzichtete für die Gestellung der Diensträder als Sachlohnbezug auf einen Teil ihrer arbeitsvertraglichen Vergütung in Höhe der Leasingraten. Der Dienstradgestellung lag ein dreiseitiger Vertrag zwischen dem Arbeitgeber, der Arbeitnehmerin und dem Leasinggeber zu Grunde. Diese Vertragsbedingungen waren von dem Leasinggeber als allgemeine Geschäftsbedingungen gestellt. Danach war der Arbeitgeber berechtigt, bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses (z.B. wegen Elternzeit) oder für den Zeitraum ohne Lohnbezug das Dienstrad schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zurückzufordern. Sofern der Arbeitgeber von seinem Recht auf Herausgabe des Dienstrades keinen Gebrauch machte, war der Arbeitnehmer verpflichtet, für die Dauer der Unterbrechung der Gehaltszahlung die Leasingraten an den Arbeitgeber zu zahlen. Das Arbeitsgericht hält die Vertragsklausel mit Verpflichtung zur Übernahme der Leasingkosten durch die Arbeitnehmerin für unwirksam. Sie fällt dadurch ersatzlos weg.

Begründung:

Die Klausel ist entgegen den Anforderungen an allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 c BGB als intransparent zu beurteilen. Die Verpflichtung zur Übernahme der Leasingraten bei Wegfall der Vergütung ist in dem Vertrag nicht ausreichend deutlich gemacht und widersprüchlich formuliert. Aufgrund des vertraglichen Hinweises auf „erhöhte Kosten (z.B. Leasingkosten)“ musste die Arbeitnehmerin nicht damit rechnen, dass diese für sie nicht nur bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Insolvenz des Arbeitnehmers anfallen, sondern auch in Zeiten ohne Gehaltszahlung.

Des Weiteren stellt die Vertragsklausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 BGB dar. Es mag zwar mit den wesentlichen Grundgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes vereinbar sein, dass bei entsprechender Vertragsgestaltung der Arbeitgeber das Dienstrad bei Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraumes von dem erkrankten Arbeitnehmer zurückfordert. Das Dienstrad ist Teil des (Sach-) Bezuges. Der verständige Arbeitnehmer muss aber nicht damit rechnen, dass darüber hinaus der Arbeitgeber in diesen Fällen auch die Leasingkosten und damit sein Unternehmerrisiko auf den erkrankten Arbeitnehmer abwälzt. Das Arbeitsgericht hält auch die voraussetzungslose Abkehr von dem Herausgabeverlangen seitens des Arbeitgebers und die dann entstehende Pflicht des Arbeitnehmers zur Zahlung der Leasingkosten für unangemessen.

Interessanterweise weist das Arbeitsgericht noch daraufhin, dass in der Dienstrad-Vereinbarung für eine dritte, am Arbeitsverhältnis nicht beteiligte Person (z.B. Ehegatte) unter Ausnutzung der steuerrechtlichen Belange des Arbeitnehmers eine Steuerverkürzung gesehen werden könnte.

Das Urteil zeigt – wie viele andere Entscheidungen ebenfalls – auf, dass tatsächliche oder vermeintliche Wohltaten für Arbeitnehmer zuweilen zu arbeitsrechtlichen oder haftungsrechtlichen Gefahren für den Arbeitgeber führen. Im Besprechungsfall kann man aber sicherlich zurecht die Frage stellen, warum Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen „erbitterten“ Streit um Leasingraten für ein Fahrrad führen.

Da muss es letztlich wohl um mehr als ein paar Euro gegangen sein. Der Stachel saß wohl tiefer.

Weitere Informationen:

AG Osnabrück, Urteil v. 5.11.2019 – 3 Ca 229/19 (Pressemitteilung LAG Niedersachsen)


Lesen Sie in der NWB Datenbank hierzu auch folgende infoCenter-Beiträge:

Kolbe, Leasing (HGB, EStG)
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