Going Concern in „Corona-Zeiten“

Für den Jahres- und Konzernabschluss ist nach der Fortführungsannahme von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, solange dem keine rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, ähnlich auch die IFRS). Infolge des weltweiten Herunterfahrens der Unternehmenstätigkeit stellt sich trotz erheblicher staatlicher Unterstützung für die Bilanzierer die Frage, ob sie ihrer Rechnungslegung die Fortführungsannahme weiterhin zugrunde legen können. Die Entscheidung dieser Frage wird vielfach erhebliche Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben.

Die Verantwortung für die Fortführungsprognose, d.h. die Beurteilung der Frage, ob die Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme gerechtfertigt ist, liegt bei den gesetzlichen Vertretern des bilanzierenden Unternehmens. In der aktuellen Situation der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Einschränkungen wird vor allem eine drohende Insolvenz als Fortführungshindernis in Betracht kommen.

In der Regel ist für eine Aufrechterhaltung der Fortführungsannahme nicht nur, aber gerade in Krisenzeiten eine hinreichend wahrscheinliche Durchfinanzierung über den Prognosezeitraum erforderlich. Grundlage der handelsbilanziellen Fortführungsprognose ist eine fundierte Finanzplanung. Darauf kann allenfalls verzichtet werden, wenn implizit von der Fortführbarkeit ausgegangen werden kann. Dies setzt nachhaltige Gewinne in der Vergangenheit und eine gesicherte Liquiditätsausstattung voraus, zudem darf keine (drohende) bilanzielle Überschuldung gegeben sein. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen wird man in Krisenzeiten eine ausführlichere explizite Fortführungsprognose fordern müssen, sofern nicht offensichtlich von der Fortführbarkeit auszugehen ist.

Der Prognosezeitraum wird regelmäßig als Mindestzeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab dem Abschlussstichtag, gesehen. Eine Ausweitung dieses Mindestprognosezeitraums kann im Einzelfall geboten sein. Dies ist etwa dann erforderlich, wenn Hinweise vorliegen, dass die Fortführung nach dem Mindestprognosezeitraum gefährdet ist.

Gerade infolge des Corona-bedingten Lockdowns hat die operative Flexibilität wie auch die Möglichkeit zur Kapitalaufnahme und Beschaffung von Finanzmitteln große Bedeutung für die Fortführungsprognose. Trotz Durchfinanzierung des Unternehmens über den Mindestprognosezeitraum stellt sich dennoch die Frage der Angemessenheit der Fortführungsannahme,

  • je weniger das Geschäftsmodell des Unternehmens auch schon vor Beginn der Corona-Krise getragen hat,
  • je stärker das Geschäftsmodell durch die Krise negativ betroffen ist.

Gerade wegen Ausmaß und Geschwindigkeit der Effekte aus dem weltweiten Lockdown kann die Anpassungsfähigkeit auch von Unternehmen mit tragfähigem Geschäftsmodell nicht mehr ausreichen, um zu einer positiven Beurteilung der Fortführbarkeit zu kommen, weswegen die Inanspruchnahme externer Unterstützung naheliegt. Eine Berücksichtigung von Hilfsmaßnahmen bei der Fortführungsprognose ist nur dann sachgerecht, wenn sie mit hinreichender Sicherheit durchgeführt werden und zudem geeignet sind, die Ursache der Fortführungsgefährdung zu beseitigen. Bei Corona-bedingter Insolvenzgefahr geht es also zunächst darum, die Insolvenzrisiken auszuschalten und ggf. darüber hinaus das Geschäftsmodell wieder tragfähig zu gestalten. Auch für staatliche Maßnahmen gilt letztlich nichts anderes. Diese sind daraufhin zu hinterfragen, ob sie geeignet erscheinen, die Insolvenzgefahr zu beseitigen.

Sollte im Einzelfall zwar noch von der Fortführbarkeit des Unternehmens ausgegangen werden können, ist dennoch zu prüfen, ob Angabepflichten im Hinblick auf Risiken für die Fortführbarkeit bestehen. In Betracht kommen hier insbesondere Angaben zu bestandsgefährdenden Risiken oder zu bedeutsamen Zweifeln an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit.

Die für die Rechnungslegung zentrale Frage der Beurteilung der Fortführbarkeit der Unternehmenstätigkeit ist immer im Einzelfall zu beantworten. Dabei ergeben sich regelmäßig komplexe betriebswirtschaftliche und rechtliche Fragen.

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