Häusliches Arbeitszimmer und Homeoffice-Pauschale bei Bereitschaftsdiensten

Das häusliche Arbeitszimmer bleibt derzeit ein steuerlicher Brennpunkt. Durch den steigenden Anteil der Erwerbstätigen, die – während und außerhalb eines Lockdowns – aus ihrem Homeoffice arbeiten, werden Arbeitszimmer auch gehäuft zu Prüfungskandidaten in den Finanzämtern. Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bei Bereitschaftsdiensten haben sich in jüngerer Zeit mehrere Finanzgerichte geäußert.

Mit unterschiedlichem Ergebnis: Denn auch Bereitschaftsdienste sind verschieden.  

BFH sieht Arbeitszimmer allein für Bereitschaftsdienste kritisch

Der BFH hatte in einem Urteil vom 15.12.2016 (VI R 86/13) über das häusliche Arbeitszimmer eines Verwaltungsmitarbeiters befunden, der im Streitjahr fünf Wochen Bereitschaftsdienste leistete und (allein) hierfür ein Arbeitszimmer vorhielt. Wegen der mangelnden Aufklärung, welche Arbeiten der Kläger im Zusammenhang mit seinen Bereitschaftsdiensten im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet habe, wurde der Sachverhalt an die Vorinstanz zurückverwiesen. Es sei zu beurteilen, ob dort überhaupt eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen entfaltet wird und ob der Umfang der im Zimmer ausgeübten beruflichen Tätigkeiten es glaubhaft erscheinen lässt, dass der Kläger hierfür ein Arbeitszimmer vorgehalten hat. Das Niedersächsische FG hat die Klage im nachfolgenden zweiten Rechtsgang abgewiesen.

„Bereithalten“ in der eigenen Wohnung ist noch keine ausreichende berufliche Nutzung

Vor dem Niedersächsischen FG war das häusliche Arbeitszimmer eines angestellten Unfallchirurgen streitig (Urteil vom 19.10.2020, 1 K 292/19). Während der regelmäßigen Arbeitszeit stellte seine Arbeitgeberin dem Kläger im Krankenhaus ein Arbeitszimmer zur Verfügung. Daneben war der Kläger verpflichtet, am ärztlichen Ruf- und Bereitschaftsdienst seiner Arbeitgeberin teilzunehmen. Während dieses Rufbereitschaftsdienstes durfte der Kläger seinen Aufenthaltsort frei wählen. Rufbereitschaftsdienste fanden werktags von 16:00 Uhr bis 7:30 Uhr des Folgetages und an Wochenenden und Feiertagen von 8:00 Uhr bis 8:00 Uhr des Folgetages statt. Im Durchschnitt hatte der Kläger monatlich acht bis zehn Rufbereitschaftsdienste zu verrichten. Für die Fahrt von seinem Wohnort zur Klinik benötigte der Kläger eine Fahrzeit von 15 bis 30 Minuten.

Das häusliche Arbeitszimmer wurde vom FG nicht berücksichtigt. Steht für die konkrete Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung, können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis 1.250 € abgezogen werden. Für die Frage, ob dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz für seine Tätigkeit zur Verfügung stand, könne er sich nicht allein auf die arbeitsvertraglich verpflichtende Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten berufen. Während der Rufbereitschaft erbringe der Arzt eine nicht nach dem Arbeitsvertrag geschuldete, sondern eine andere, zusätzliche Leistung. Diese bestehe darin, der Arbeitgeberin den Aufenthaltsort anzuzeigen und ihn so zu wählen, dass die Arbeit auf Abruf aufgenommen werden kann. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welchem Umfang und in welcher Art er für das „Sich-Bereithalten“ sein häusliches Arbeitszimmer benutzte. Charakterisierendes Merkmal der Rufbereitschaft sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer aus seiner freien Zeit, die er nach seinen Vorstellungen gestalten können soll, in den Dienst berufen wird. Für diese freie Zeit, in der sich der Kläger zur Dienstaufnahme bereithielt, konnte der Senat eine Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers aber nicht feststellen. Sofern sich der Kläger während der freien Zeit seiner Rufbereitschaft dennoch im häuslichen Arbeitszimmer aufgehalten haben sollte, war dieser Aufenthalt privat durch seine Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) veranlasst.

Der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist somit dem Grunde nach möglich. Aber es werden nur Zeiten und Tätigkeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während eines Bereitschaftsdienstes als berufliche Nutzung in die Prüfung der Nutzungsverhältnisse des Raumes einbezogen.

Weiteres Finanzgericht bejaht häusliches Arbeitszimmer für Bereitschaftsdienst

Zuletzt entschied das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 7.12.2020 (7 K 7097/18) über ein häusliches Arbeitszimmer für Bereitschaftsdienste positiv im Sinne der Steuerpflichtigen. Streitig war das Arbeitszimmer einer Amtsanwältin. Diese leistete durchschnittlich zwei bis drei Tage Rufbereitschaft im Monat, die teilweise auf Wochentage, teilweise auf Wochenenden fielen. Für die Bereitschaftsdienste außerhalb der üblichen Dienstzeiten bestand kein Zugang zum Büroarbeitsplatz im Gerichtsgebäude. Ein anderer Arbeitsplatz stand der Klägerin für diese Bereitschaftsdienste nicht zur Verfügung, ein Kostenabzug bis 1.250 € ist damit eröffnet. Für sich betrachtet wären die einzelnen Bereitschaftsdienste über die Nacht und am Wochenende jedoch kaum ausreichend, um eine ausschließliche oder fast ausschließliche berufliche Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers zu belegen. Aber die Klägerin übte auch einen beträchtlichen Teil ihrer regulären Tätigkeit – soweit sie nicht durch Termine ortsgebunden war – im häuslichen Arbeitszimmer aus. Und die anderweitige berufliche Nutzung des Arbeitszimmers ist keine private Nutzung.

Homeoffice-Pauschale auch für das „Sich-Bereithalten“

Für die Homeoffice-Pauschale, die keine besondere Tätigkeitsvoraussetzung aufweist, stellen sich diese Abgrenzungsfragen nicht. Hier reichen auch Zeiten des „Sich-Bereithaltens“ während einer dienstlichen Rufbereitschaft für die Gewährung der Tagespauschale von 5 € aus. Diese sind durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers über geleistete Bereitschaftsdienste in 2020 bzw. 2021 nachzuweisen.

Fazit

Erst ja, dann nein. Oder doch ja…? Es kommt letztendlich auf den konkreten Einzelfall an, denn wie eingangs erwähnt, ist Bereitschaftsdienst nicht gleich Bereitschaftsdienst, erst recht nicht in Kombination mit Homeoffice. Eine klarere Linie täte allen Beteiligten gut. Wahrscheinlich wird diese Problematik noch Gegenstand weiterer Urteile. Warten wir es ab – wir halten Sie auf dem Laufenden.

 

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