Bilanzzauber mit Nebenwirkungen – Der kritische Blick auf Xlife Sciences

Innovation trifft Bilanz – wie Xlife Sciences mit Ideen und Beteiligungen glänzt

Ein Unternehmen ohne klassische Produkte, dafür mit Beteiligungen an über 25 Forschungsfirmen – Xlife Sciences ist kein gewöhnlicher Konzern. Der Geschäftsbericht 2024 liest sich wie eine Mischung aus Portfolio-Schau und Wachstumsstrategie. Doch hinter den Erfolgsnachrichten rund um NASDAQ-Listings und Diagnostik-Innovationen steht eine Bilanz mit wenig operativem Geschäft und viel Bewertungsfantasie. Zeit für einen genaueren Blick.

Gewinn ohne Geschäft? Was der Abschluss zeigt

Im Geschäftsjahr 2024 erzielte Xlife Sciences Umsätze von lediglich CHF 0,83 Mio., ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr (CHF 0,98 Mio.). Die Erlöse stammen ausschließlich aus Dienstleistungen an eigene Projektgesellschaften – klassische externe Umsätze gibt es nicht. Trotzdem wird ein Ergebnis je Aktie von CHF 6,00 ausgewiesen – ein Plus von fast 120 % gegenüber dem Vorjahr. Wie passt das zusammen?

Die Antwort liegt in der Bilanzbewertung: Xlife Sciences bilanziert viele ihrer Beteiligungen zu Fair Values. Bewertungszuwächse dieser Finanzanlagen beeinflussen das Jahresergebnis direkt – reale Mittelzuflüsse stehen dem nicht gegenüber. Das operative Geschäft bleibt schmal, dafür wächst die Bilanzsumme: CHF 540,4 Mio. (Vorjahr: CHF 511,9 Mio.). Der größte Posten: Beteiligungen an Start-ups und Spin-offs.

Der operative Cashflow? Spielt keine Rolle – Xlife ist kein Cashflow-getriebenes Unternehmen. Stattdessen setzen die Zürcher auf den Wertzuwachs durch IPOs, Verkäufe oder Lizenzdeals ihrer Beteiligungen.

Zwischen Labor und Börse: Das Geschäftsmodell

Xlife versteht sich als Accelerator im Life-Science-Bereich. Das Unternehmen beteiligt sich an vielversprechenden Projekten, oft als Mehrheitseigner, und begleitet sie in frühen Entwicklungsphasen. Danach folgt der Exit – etwa durch Auslizenzierung oder Börsengang.

2024 verkündete Xlife gleich zwei geplante IPOs:

  • Die VERAXA Biotech AG soll an der NASDAQ gelistet werden.
  • Die FUSE-AI GmbH plant den Gang an die London Stock Exchange.

 

Beide Entwicklungen steigern nicht nur die Bewertung der Beteiligungen, sondern untermauern auch das Xlife-Narrativ: Wertschöpfung durch Beteiligungsentwicklung – und nicht durch Produkte.

Innovationsshowcase statt Geschäftsmodell?

Der Geschäftsbericht liest sich stellenweise wie ein Innovationsmagazin: Krebstherapien auf Basis von BiTAC-Technologie, PET-Radiotracer zur Leberdiagnostik, Screeninggeräte für Parkinson, KI-gestützte Prostataanalyse – die Vielfalt ist beachtlich. Die operative Führung dieser Projekte liegt allerdings bei den jeweiligen Tochtergesellschaften.

Xlife selbst bleibt ein Holdingvehikel mit schlanker Struktur (20 Mitarbeitende im Kernteam) und hohem Bewertungsfokus. Auch ESG wird prominent platziert – inklusive Biogas-Engagement in Kenia. Das ist imagefördernd, aber mit Blick auf das minimalistische operative Geschäft auch strategisch klug.

Und mein Senf dazu

Xlife Sciences ist ein spannendes Beispiel für ein Unternehmen, das Wert durch Beteiligung und Bewertung generiert – nicht durch Produkte oder klassische Umsätze. Das Modell erinnert an eine Venture-Capital-ähnliche Struktur, nur mit Börsennotierung und Quartalsberichten.

Die Risiken liegen auf der Hand: Ohne nennenswerte laufende Einnahmen ist Xlife voll abhängig von erfolgreichen Exits. Bleiben IPOs oder Verkäufe aus, gerät die Story ins Wanken. Zudem ist die Bewertung vieler Beteiligungen schwer nachvollziehbar – sie erfolgt intern oder über unabhängige Gutachter, aber ohne aktiven Markt.

Trotzdem: Die Strategie ist klar, die Umsetzung konsequent. Wer bei Xlife investiert, setzt auf Innovation, Exit-Fantasie – und auf den Glauben an die nächste Bewertungsspirale.

Weitere Informationen:
Xlife Science Geschäftsbericht (pdf)

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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