Insolvenz droht: Keine Umsatzsteuerbefreiung für freiberufliche Pflegekräfte?

Freiberuflichen Pflegekräften droht aktuell die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für ihre Leistungen. Die Finanzverwaltung hat begonnen, freiberufliche Pflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen unter die Lupe zu nehmen und die Steuerbefreiung für Pflegeleistung dort einzukassieren.

Nicht nur die Inflation sorgt derzeit für ein erhöhtes Insolvenzrisiko. Auch die Finanzverwaltung schubst nun einige Freiberufler Richtung wirtschaftlichen Abgrund. Streitpunkt zwischen den Unternehmen und Finanzämtern ist die Steuerbefreiung für Leistungen der Grund- und medizinischen Behandlungspflege. Vorreiter ist dabei die Finanzverwaltung in Niedersachsen, welche zuletzt schon das für betroffene Dienstleister sehr nachteilige MDK-Urteil erstritten hat (Bundesfinanzhof, Az. XI R 30/20).

Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass aufgrund der Subunternehmerstellung der freiberuflichen Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen generell kein Zugang zur Steuerbefreiung bestehe. Für betroffene Unternehmen birgt das existenzbedrohende Risiken. Bei einer Versagung der Steuerbefreiung kann das Finanzamt rückwirkend für Umsatzsteuer für mehrere Jahre von bis zu 16 % der Bruttoeinnahmen nachfordern, ohne dass in den meisten Fällen nennenswerte Kosten in Abzug gebracht werden: Miete und Personalaufwand sind oftmals umsatzsteuerlich freigestellt; einen Wareneinkauf gibt es im Wesentlichen nicht und Fahrzeugkosten liegen im Zweifel ebenso wenig vor.

Leider gibt es bislang keinen Präzedenzfall, der für Betroffene Rechtsklarheit schafft. In einem aktuellen Fall musste ein Pflegedienstleister Insolvenz anmelden, bevor das Niedersächsische Finanzgericht zu den Streitfragen Stellung beziehen konnte (Az. 11 V 19/22).  Unglücklicherweise sind die Pflegedienstleister hier in einer schlechten Ausgangslage, weil sie selbst meist gar keinen Zugang zu den notwendigen Beweismitteln zum Nachweis der Steuerbefreiung haben. Oftmals sind auch die schriftlichen Verträge zwischen Pflegedienstleister und Pflegeeinrichtung wenig aussagekräftig, weil ein Nachweis der Steuerbefreiung bislang nie auch nur zur Debatte stand.

Pflegedienstleistern als Subunternehmer ist zunächst eine Überprüfung zu empfehlen, ob in der Abrede mit der jeweiligen Pflegeeinrichtung Art und Umfang der Dienstleistungen – insbesondere eine eventuelle Abgrenzung zwischen Grund- und medizinischer Behandlungspflege – schriftlich fixiert sind. Sodann sollten die notwendigen Beweismittel gesichert werden, vor allem Abreden mit der Pflegekasse und der Zugang zu den Behandlungsakten der betreuten Patienten. Steuerliche Berater sollten insoweit Haftungsvorsorge betreiben.


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