Interessenkonflikt bei Teilnahme einer Gemeinde an Betriebsprüfungen

Stellen Sie sich vor, ein Geschäftspartner bittet Sie darum, Einblick in Ihre gesamten Unterlagen, also auch in Ihre Kalkulationen und Verträge mit Konkurrenten Einblick nehmen zu dürfen. Sicherlich würden Sie dem Geschäftspartner höflich, aber bestimmt zu erkennen geben, dass sie seinem Anliegen nicht nachkommen können. Was aber, wenn der Geschäftspartner die Gemeinde ist, in der Sie ansässig sind? Auch der Gemeinde würden Sie keinen Einblick in Ihre Geschäftsunterlagen gewähren.

Wenn nun aber die Gemeinde auf ihr Recht pocht, das ihr in § 21 FVG gesetzlich zusteht, wird die Sache kompliziert. Denn nach § 21 Abs. 1 und 3 FVG darf sie an einer Betriebsprüfung des Finanzamts teilnehmen. Und dabei wird zumindest ein Bediensteter der Gemeinde ebenjene Unterlagen sichten, die Sie ihm nie und nimmer zeigen möchten. Ist dann dennoch eine Teilnahme des Gemeindebediensteten an der Betriebsprüfung des Finanzamts zulässig? Nein, sagt das FG Düsseldorf. Eine entsprechende Prüfungsanordnung ist rechtswidrig, soweit darin die Teilnahme des Gemeindebediensteten angeordnet wurde (Urteil vom 23.6.2021, 7 K 656/18 AO).

Im zugrundeliegenden Fall unterhielt das zu prüfende Unternehmen mit der Stadt und deren Tochtergesellschaften Vertragsbeziehungen. In einem solchen Fall bestehe die Gefahr, dass der Gemeindebedienstete durch die Prüfung Einblicke in sensible Daten des Unternehmens wie etwa Kalkulationsgrundlagen und weitere Vertragsbeziehungen erhalte. Stehen sich Gemeinde und Steuerpflichtiger auch als Vertragspartner gegenüber und bestehe die Möglichkeit, dass Vertrags- oder Kalkulationsgrundlagen bei dem Steuerpflichtigen vorliegen, die auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer relevant sind (z.B. durch Auswirkung auf den Gewerbeertrag) und damit grundsätzlich vom Einsichtsrecht des Gemeindebediensteten umfasst sind, so sei das Steuergeheimnis höher zu bewerten als das Einsichtsrecht der Gemeinde.

Es seien daher Schutzmaßnahmen erforderlich, um eine Kenntnisnahme dieser Daten durch den Gemeindebediensteten zu verhindern. Da die Teilnahmeanordnung des beklagten Finanzamtes solche Sicherungsmaßnahmen nicht enthalten habe, sei sie rechtswidrig – so die Finanzrichter.

Hinweis:

Gemeinden sind zwar nicht dazu ermächtigt, gegenüber Gewerbesteuerpflichtigen die Teilnahme eines Gemeindebediensteten an der Außenprüfung des Finanzamts anzuordnen. Allerdings darf das Finanzamt im Rahmen seiner eigenen Anordnung der Außenprüfung der Gemeinde ihr Recht zur Teilnahme an dieser Außenprüfung einräumen – was es wohl regelmäßig tun wird (BFH-Urteil vom 23.1.2020, III R 9/18).

Die Entscheidung des FG Düsseldorf ist nicht rechtskräftig. Die vom FG zugelassene Revision ist unter dem Az. III R 25/21 anhängig. Man darf gespannt sein, wie der BFH entscheiden wird. Damals hat er ausgeführt:

Grundsätzlich sei es nicht Aufgabe des Finanzamtes, die Einhaltung des Steuergeheimnisses bei der Gemeinde zu gewährleisten. Wenn es allerdings für das Finanzamt nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich erkennbar werde, dass die Einhaltung des Steuergeheimnisses bei der Gemeinde nicht gewährleistet ist, könnte die Finanzbehörde gehalten sein, einen Nachrichtenaustausch gegenüber der Gemeinde von vornherein zu unterlassen, da insoweit eine Offenbarung über den zur Erreichung des steuerlichen Zwecks erforderlichen Umfang hinausgeht und insoweit nicht verhältnismäßig wäre. Das führe aber noch nicht zur Rechtswidrigkeit der Teilnahmeanordnung an sich.


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