Ist das Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg (LGrStG BW) verfassungswidrig?

Noch bevor es zu ersten Wertfeststellungen oder gar Zahlungen gekommen ist, unterstützt der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg eine Musterklage vor dem Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen das LGrStG BW. Möglich soll die direkte Klage vor dem Verfassungsgerichtshof deshalb sein, weil seit 2013 jeder Bürger, der sich durch ein Landesgesetz in seinen Rechten verletzt sieht, beim Verfassungsgerichtshof klagen könne, ohne vorher den Instanzenweg zu beschreiten.

Die Kläger stützen sich auf ein Gutachten von Prof. Gregor Kirchhof, der das LGrStG BW aus folgenden Überlegungen heraus für verfassungswidrig hält:

Lenkungsfunktion

Beim LGrStG BW werden unbebaute Wohngrundstücke höher besteuert als bebaute. Die Grundstückseigentümer sollen dadurch zu einer Bebauung veranlasst werden. Selbst wenn eine Bebauung nicht möglich ist, muss eine höhere Grundsteuer entrichtet werden, obwohl keine Möglichkeit besteht, sich entsprechend dem Lenkungsziel zu verhalten. In diesen Fällen sei die Bodenwertsteuer ein ungeeignetes und damit unverhältnismäßiges Steuerungsmittel.

Gegen diese Auffassung spricht, dass der Eigentümer, anders als bei einer selbst genutzten Wohnimmobilie, das unbebaute Grundstück jederzeit verkaufen kann. Die Gemeinden müssen auch für die bisher unbebauten baureifen Grundstücke und ihre potentiellen Bewohner die kommunale Infrastruktur bereits heute bereitstellen, weil ja diese Grundstücke jederzeit bebaut werden könnten. Die Kosten für die Erhaltung dieser Infrastruktur müssten dann vor allem die anderen Grundstückseigentümer durch höhere Grundsteuern aufbringen und der Gemeinde gehen ggf. Zuweisungen verloren, die an die Einwohnerzahl gekoppelt sind. Insofern bestehen sachliche Gründe, solche Grundstücke höher zu besteuern.

Fehlende Öffnungsklausel eines niedrigeren gemeinen Wertes

Kirchhof kritisiert, dass die festgestellten Bodenrichtwerte häufig ungenau seien und es keine Möglichkeit zum Beweis eines niedrigeren gemeinen Wertes gibt. Tatsächlich sind Fälle denkbar, dass sich in einer Richtwertzone Grundstücke befinden, die wegen ihres Grundstückszuschnitts oder ihrer Größe überhaupt nicht bebaubar sind, das Richtwertgrundstück aber von einer Bebauung ausgeht. In diesen Fällen könnte tatsächlich der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt sein.

Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip

Nach dem Äquivalenzprinzip sollen Steuerpflichtige entsprechend dem Vorteil, den sie durch eine staatliche Leistung erhalten, zur Finanzierung dieser Leistung herangezogen werden. Dieses Prinzip soll verletzt sein, weil die kommunale Infrastruktur darauf ausgerichtet sei, ob ein Grundstück bewohnbar sei und ob auf den Grundstücken Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften oder Hochhäuser befinden. Dagegen soll nach Auffassung von Kirchhof das Flächenmodell nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen. Warum aber die Bodenwertsteuer gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen soll, bleibt dabei unklar.

Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips

Das LGrStG BW soll auch das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzen, weil Gebäude bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Dieser Einwand müsste dann aber in gleicher Weise für das von Kirchhof präferierte Flächenmodell gelten.

Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 GG wegen ungenauer Bodenrichtwerte

Bei der Bodenwertsteuer spielen die Bodenrichtwerte eine wesentliche Rolle. Ungenaue Bodenrichtwerte sollen zur Verfassungswidrigkeit führen, weil dadurch das Gleichbehandlungsgebot verletzt würde. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte wegen der besonderen Sach- und Fachkenntnis der Ausschüsse objektiv.

Weitergehende Ausführungen zu verfassungsrechtlichen Aspekten des LGrStG finden sich in der Online Ausgabe des NWB Kommentars von Grootens, GrStG.

Es bleibt abzuwarten, ob die Klage angenommen wird und das Gericht den Argumenten der Kläger folgt.


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