Gleich zu Beginn dieses Beitrages bringe ich einen Satz aus der Urteilsbegründung eines aktuellen BGH-Urteils: „In der von der Beklagten erbrachten Haushaltsführung und Erziehung der gemeinsamen Kinder liegt keine anfechtungsrechtlich beachtliche Gegenleistung.“ (BGH-Urteil vom 10.7.2025, IX ZR 108/24). Ist die Erziehung von vier Kindern also finanziell nichts wert?
Der Sachverhalt in aller Kürze:
Die Eheleute erwarben gemeinsam ein Einfamilienhaus und finanzierten dieses über ein Bankdarlehen. Doch einige Jahre nach dem Hauskauf musste der Ehemann Insolvenz anmelden. Er war bis dato Alleinverdiener, während sich die Ehefrau um den Haushalt und die Erziehung der Kinder gekümmert hat. Zins und Tilgung wurden daher ausschließlich aus dem Einkommen des Ehemannes geleistet. Um dessen Gläubiger zu befriedigen, forderte der Insolvenzverwalter von der Ehefrau, dass sie mehrere tausend Euro in die Insolvenzmasse zahlen soll. Sie sei nämlich dadurch bereichert worden, dass der Ehemann für sie das Darlehen in den letzten Jahren anteilig getilgt hat. Und diese Bereicherung könne nun insolvenzrechtlich angefochten, das heißt zugunsten der Insolvenzmasse zurückgefordert werden.
Die Entscheidung des BGH:
Nehmen Ehegatten gemeinsam ein Darlehen zur Finanzierung eines in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstücks auf, können Zahlungen des Schuldners auf die Darlehensverbindlichkeiten eine anfechtbare Leistung an den anderen Ehegatten enthalten, soweit der andere Ehegatte durch die Zahlung von seiner Mithaftung befreit wird und aufgrund der Zahlung lastenfreies Eigentum erwirbt. Der BGH gab dem Insolvenzverwalter hinsichtlich der hälftigen Tilgungsleistungen also Recht, hinsichtlich der hälftigen Darlehenszinsen dagegen nicht.
Die Begründung – ebenfalls in aller Kürze:
Der Schuldner, also der Ehemann, habe mit der Entrichtung der Tilgungsanteile eine unentgeltliche Leistung an die Ehefrau erbracht. Denn diese war gegenüber der Bank gleichermaßen verpflichtet. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Ehefrau stehe dem nicht entgegen. Die Darlehenstilgung durch den Ehemann sei der Ehefrau unentgeltlich zugutegekommen. Jedenfalls habe sie keine Gegenleistung im anfechtungsrechtlichen Sinne erbracht. In der von der Ehefrau erbrachten Haushaltsführung und Erziehung der gemeinsamen Kinder liege keine anfechtungsrechtlich beachtliche Gegenleistung. Damit war der Tatbestand des § 134 Abs. 1 InsO erfüllt.
Die Zinsaufwendungen waren dagegen unterhaltsrechtlich geschuldet. Diese stellten keine Aufwendungen zur Vermögensbildung dar, sondern dienten wirtschaftlich – jedenfalls auch – der Finanzierung des Wohnbedarfs und seien insofern der Miete vergleichbar. Die Zinsleistungen überstiegen nicht die Höhe der Miete für eine angemessene Wohnung und waren daher ein gemäß §§ 1360, 1360a BGB geschuldeter Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten. Die Erfüllung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs bewirkte als Gegenleistung die Befreiung von der Schuld und damit die Entgeltlichkeit der Leistungen des Schuldners. Damit handelte es sich nicht um anfechtbare, unentgeltliche Leistungen i.S. des § 134 Abs. 1 InsO.
Denkanstoß:
Wie so oft wenn es um Fragen der Haftung und des Eintritts für Schulden geht, liegt es im Auge des Betrachters, ob man eine Gerichtsentscheidung befürwortet oder nicht. Die Gläubiger werden das Urteil begrüßen, während Schuldner mit Unverständnis reagieren dürften.