Kinderfreibetrag verfassungswidrig? Was nun? Teil I

Der Kinderfreibetrag gem. § 32 EStG könnte verfassungswidrig sein, zumindest ab Kj 2014. Der 7. Senat des Nieders. FG  hat Aussetzung der Vollziehung gewährt (7 V 237/15). Wie geht das denn, wenn der Steuerbescheid mit einem Vorläufigkeitsvermerk „belastet“ ist?

Ich habe bewusst diesen Ausdruck „belastet“ gewählt, denn der Vorläufigkeitsvermerk verhindert den Einspruch. So sah es auch das FA und die vom FA angefragte OFD. Das FA hat den Einspruch gegen den ESt-Bescheid noch nicht endgültig bearbeitet, so dass es in der Hauptsache noch keine Entscheidung gibt. Auch hatte das FA einem  Antrag auf Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung nicht stattgegeben. So blieb nun der Gang zum FG übrig (§ 69 FGO).

Das FA ist (war) der Meinung, dass durch den Vorläufigkeitsvermerk für den Kinderfreibetrag ein Einspruch nicht zulässig sei. So offensichtlich die rechtswidrige Praxis der Finanzämter. Wohl gemerkt, es geht um das Kj 2014.

Der „alte Vorläufigkeitsvermerk für Vorjahre“ kann doch nicht für das Streitjahr 2014 ff. „herhalten“. So möchte das FA den Einspruch verhindern, denn der III. Senat des BFH hat derartiges merkwürdiges geäußert (III R 39/08) Der 7. Senat hat das „zu Recht gerückt“. Rechtmäßig kann ein Vorläufigkeitsvermerk nur dann gesetzt werden, wenn ein Verfahren beim EuGH, BVerfG oder BFH anhängig ist. Das ist für die Kj ab 2014 nicht der Fall, noch nicht.

Also ist der Vorläufigkeitsvermerk nicht rechtmäßig und es muss verfahrenstechnisch betrachtet, notwendig Einspruch eingelegt werden. Spannend wird der Streit, wenn das FA sich später bei einer evtl. Verfassungswidrigkeit darauf beruft, dass dieser Vorläufigkeitsvermerk für diesen Fall dann nicht geht. Jedenfalls halte ich die Finanzverwaltung für nicht mehr glaubwürdig. Denken Sie nur an § 27 Abs. 19 UStG!

Die Praxis sollte deshalb das Verfahrensrecht richtig anwenden und grundsätzlich in dieser Frage das Rechtsmittel führen. Es gilt den Vorläufigkeitsvermerk als rechtswidrig anzugreifen und dann im Rahmen der Begründung en höheren Kinderfreibetrag zu fordern!

Über den Einspruch kommen wir berechtigt und notwendigerweise zum Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.  Das Gericht hat die Interessen des Fiskus nicht höher bewertet, sondern ist dem Einzelinteresse der Rechtsschutzgewährung gefolgt. Die Beschwerde beim BFH hat es zugelassen. Das Az. beim BFH liegt noch nicht vor.

Aufgrund der umfangreichen Begründung sollte ernsthaft über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (soweit eben Nachzahlungen verhindert werden können) gestellt werden. Mit einer höheren Anzahl von rechtsschutzsuchenden Steuerbürgern wird der „Entscheidungsdruck“ für das BVerfG etwas erhöht. Leider steht der nicht marktgerechte Zinssatz einem garantiertem Rechtsschutz im Wege. 6 % Zinsen führen zu einer Rechtsschutzverweigerung!

Und warum ist der Kinderfreibetrag verfassungswidrig? Siehe Teil II.

Weitere Infos:

ExpertenBlog-Audio-IconHören Sie hier: NWB Steuern mobil 5/2016 Track 23 | Ist der Kinderfreibetrag 2014 verfassungswidrig?
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