Kosten der Erstausbildung: Verfassungshüter entscheiden gegen Studenten und Piloten

Seit vielen Jahren gibt es Streit über die Frage, ob Kosten der Erstausbildung unbeschränkt als – vorweggenommene – Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen sind oder nur beschränkt im Rahmen der Sonderausgaben, wo sie zumeist ohne steuerliche Auswirkung bleiben. Der Bundesfinanzhof hat diese Frage dem Bundesverfassungsgericht bereits vor einigen Jahren vorgelegt. Wahrscheinlich hätten die Betroffenen, aber auch die meisten Steuerberater Haus und Hof darauf verwettet, dass das Bundesverfassungsgericht der Ansicht des Bundesfinanzhofs folgt, wonach die Kosten voll abziehbar sein müssen.

Doch weit gefehlt: Am 10.1.2020 hat das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss vom 19.11.2019 bekannt gegeben. Es bleibt bei der gesetzlichen Regelung, dass Kosten der Erstausbildung nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbar sind. Das Urteil hat für Studenten, aber auch für angehende Piloten erhebliche negative Konsequenzen.

Hier ein Auszug aus der Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts:

„Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Dies hat der Zweite Senat mit heute veröffentlichtem Beschluss auf Vorlagen des Bundesfinanzhofs hin entschieden. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es für die Regelung sachlich einleuchtende Gründe gibt. Der Gesetzgeber durfte solche Aufwendungen als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen. Die Erstausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelt nicht nur Berufswissen, sondern prägt die Person in einem umfassenderen Sinne, indem sie die Möglichkeit bietet, sich seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind. Sie weist eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung auf. Auch die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Erstausbildungskosten auf einen Höchstbetrag von 4.000 Euro (Anm.: Heute sind es 6.000 Euro) in den Streitjahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“

(Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14)

Die Richter befassen sich auch ausführlich mit – angehenden Berufspiloten – sowie mit Kosten im Rahmen von Ausbildungsdienstverhältnissen. Danach gilt:

Auch Erstausbildungen, die wie die Pilotenausbildung einen konkreten Veranlassungszusammenhang mit einer später ausgeübten Erwerbstätigkeit aufweisen, schaffen erstmalig die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung und vermitteln Kompetenzen, die allgemein die Lebensführung der Auszubildenden beeinflussen.

Schließlich ist auch für die Differenzierung zwischen Erstausbildungen und Erststudiengängen innerhalb und außerhalb eines Dienstverhältnisses ein sachlich einleuchtender Grund gegeben. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses hat zur Folge, dass die Auszubildenden zur Teilnahme sowohl an einer betrieblichen als auch an einer schulischen oder universitären Ausbildung verpflichtet sind. Gleichzeitig erhalten sie eine Vergütung, auch für den schulischen Teil der Ausbildung. Es ist deshalb nicht willkürlich, bei den Auszubildenden anfallende Ausbildungskosten (auch) als Aufwendungen zur Sicherung von Einnahmen aus dem Ausbildungsverhältnis zu bewerten. Zwar schafft auch die Erstausbildung, die innerhalb eines Dienstverhältnisses erfolgt, die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung und vermittelt Kompetenzen, die allgemein die Lebensführung der Auszubildenden beeinflussen. Die im Rahmen des Ausbildungsdienstverhältnisses bereits aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit ist jedoch ein sachlicher Grund, der den Gesetzgeber berechtigt, zu differenzieren.

Meinung:

Eigentlich halte ich mich mit Kritik an Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zurück. In diesem Fall muss ich jedoch die Entscheidung harsch kritisieren. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben aus meiner Sicht rein fiskalisch geurteilt. Sie sind in steuerlichen Fragen zunehmend mutlos. Dies belegen auch zahlreiche andere Entscheidungen, in denen zwar zumindest die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist, dem Gesetzgeber jedoch großzügige Übergangsmöglichkeiten belassen worden sind, so dass unterm Strich die Betroffenen doch nicht Recht bekommen haben. Um es deutlich zu sagen: Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in steuerlichen Fragen verkommen zunehmend zur „Null-Nummer.“ Vorbei sind die Zeiten, als ein Professor Kirchhof das Steuerrecht wirklich unter die Lupe genommen hat. Hoffen wir, dass wenigstens in Sachen „Nachzahlungszinsen“ mehr Mut bei den Verfassungshütern vorhanden ist.

Um noch einmal auf das „Sachliche“ zurückzukommen: Angehenden Berufspiloten zu unterstellen, sie würden ihre Ausbildung sozusagen zur reinen Persönlichkeitsbildung absolvieren, kann wohl ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Ich habe keinerlei Verständnis für die Aussage der Verfassungshüter.

Dass dann Ausbildungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses wiederum begünstigt sind, ist die „Lex specialis“ für Beamtenanwärter. Ein Schelm, wer …. Sie wissen schon.

Gestaltungstipp:

Letztlich bleibt allen Betroffenen natürlich die Gestaltungsempfehlung des Zuwendungsnießbrauchs. Die Gestaltung ist leicht umzusetzen und führt – über einen kleinen Umweg – mehr oder weniger zum wirtschaftlich gewünschten Ergebnis.

Informationen hierzu:
„Abzugsbeschränkung für Studienkosten umgehen“ (steuerrat24.de)

Lesen Sie hierzu auch meinen Folgebeitrag:
Noch einmal: Erstausbildung und Erststudium

2 Gedanken zu “Kosten der Erstausbildung: Verfassungshüter entscheiden gegen Studenten und Piloten

  1. Sehr geehrter Herr Herold,

    ich schätze Ihre Ansichten wirklich sehr und in vielen Fällen sind wir einer Meinung. Aber Ihrer Ansicht zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann ich diesmal nicht folgen.

    Das Bundesverfassungsgericht hatte lediglich zu entscheiden ob die Regelungen in § 9 Abs. 6 EStG „noch“ verfassungsgemäß sind oder nicht. Bereits in vielen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit von Typisierungen eingeräumt.

    Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers wurden die Kosten der Erstausbildung dem privaten Bereich zugeordnet. Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts war zu entscheiden, ob dies noch verfassungsgemäß ist oder nicht. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts Gesetze zu machen oder zu ändern. Hierfür ist der Gesetzgeber zuständig. Ich halte die Gewaltenteilung in Deutschland immer noch für recht sinnvoll.

    Ich kann mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts leben, auch wenn die Begründung in „Einzelfällen“ (Pilotenausbildung) ungerecht erscheint.

    Im übrigen können auch „normale“ Auszubildende in einem Anstellungsverhältnis ihre Ausbildungskosten als Werbungskosten ansetzen (nicht nur Beamtenanwärter).

    Man kann die Entscheidung des Gesetzgebers zu den Kosten der Erstausbildung sicher kritisieren, und eventuell bringt die Entscheidung des BverfG ja den Gesetzgeber dazu hier was zu ändern. Hier ist aber nicht das Bundesverfassungsgericht der Ansprechpartner sondern unsere Abgeordneten im Bundestag.

    • Sehr geehrter Herr Giebel,

      vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem Beitrag. Ich habe mir nochmal Gedanken gemacht und hierzu noch einen weiteren Blog-Beitrag soeben veröffentlicht („Noch einmal: Erstausbildung und Erststudium“). In der Tat hat die Entscheidung aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen hohe Wellen geschlagen.

      Viele Grüße
      Christian Herold

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