Nachzahlungszinsen: Festsetzung ohne „Wenn und Aber“!?

Nachzahlungszinsen, insbesondere für die Zeit bis 2018, waren und sind ärgerlich. Ein Zinssatz von 6 Prozent p.a. wird mitunter als Wucher empfunden. Doch es hilft nichts: Karlsruhe hat den Gesetzgeber erst ab 2019 zu einer Senkung des Zinssatzes aufgefordert (BVerfG-Urteile vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17).

Ist denn wenigstens ein Billigkeitserlass möglich? Die Antwort lautet: nur sehr selten. Erst gerade hat der BFH entschieden, dass ein Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen selbst dann nicht in Betracht kommt, wenn einem Steuerpflichtigen aufgrund einer zunächst unklaren Erbrechtssituation bestimmte Einkünfte erst nach vielen Jahren zugerechnet werden und die entsprechenden Steuerbescheide – samt Festsetzung hoher Nachzahlungszinsen – ebenfalls erst nach vielen Jahren erteilt bzw. geändert werden (BFH-Urteil vom 9.4.2025, X R 12/21).

Der Sachverhalt – Nachzahlungszinsen im Erbfall

Nach dem Tod des Erblassers im Jahre 2012 kam es zu langjährigen Streitigkeiten um die Erbfolge. Erst im Jahre 2018 wurde der Streit beigelegt und der Erbschein erteilt, der den Kläger – neben zwei weiteren Erben – als Erbe auswies. In 2019 ergingen an den Kläger geänderte Steuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017. Dabei wurden ihm anteilig Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte zugerechnet. Diese beruhten wiederum auf den Feststellungsbescheiden, die an die Erbengemeinschaft gerichtet waren.

Mit der Steuernachzahlung wurden Nachzahlungszinsen von fast 34.000 Euro festgesetzt. Der Erbe beantragte daraufhin den Erlass der gesamten Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen. Zur Begründung führte er an, es sei jahrelang nicht klar gewesen, wer an der Erbengemeinschaft beteiligt sei und wem welche Einkünfte zuzurechnen seien. Ihn treffe an der Verzögerung keine Schuld. Doch mit seinem Anliegen ist er auch beim BFH gescheitert.

Die Begründung des BFH

Der Umstand, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtssituation nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln bzw. zu schätzen und eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Steuern zu leisten, um eine Zinsentstehung zu verhindern oder jedenfalls zu reduzieren, begründet keine sachliche Unbilligkeit.

Der Liquiditäts- und Zinsvorteil ist typisierend anzunehmen. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf durch Billigkeitsmaßnahmen nicht unterlaufen werden. Auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit der Nachlassgegenstände durch den Steuerpflichtigen während des Erbscheinverfahrens kommt es nicht an. Ein Verschulden ist für Zwecke der Steuerverzinsung nach § 233a AO auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses prinzipiell irrelevant.

Auch ein Grundlagenbescheid (hier: der zunächst der Erbengemeinschaft zugestellte Feststellungsbescheid), der viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, kann zu einer Zinspflicht unter Anwendung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 AO führen.

Denkanstoß

Nachzahlungszinsen sind in bestimmten Fällen doch ausnahmsweise zu erlassen, zum Beispiel bei Steueränderungen, die auf reinen Phasenverschiebungen basieren und die unterm Strich nicht zu „echten“ Mehrergebnissen führen.

Betroffenen sei empfohlen, folgende Beschlüsse und Urteile genau zu studieren, auch wenn die jeweiligen Begründungen mitunter nicht ganz leicht zu durchdringen sind:

 

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                                                                                                         (c) freepik

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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