Neue Tatsachen und grobes Verschulden im Zuge der Corona-Pandemie

Jens Spahn hat zu Beginn der Corona-Pandemie bekanntlich den Satz geprägt „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen“. Ob dieser Satz auch für das Steuerrecht gilt? Ich komme darauf, weil ich kürzlich wieder einmal einen Antrag nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stellen durfte und bereits innerhalb weniger Tage und nahezu reflexartig die Antwort des Finanzamts erhalten habe, dass den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen getroffen habe.

Nun gut, der Sachverhalt betraf einen Vorgang des Jahres 2018 und es wird sich zeigen müssen, ob das Finanzamt bei seiner Haltung bleiben kann. Ich frage mich aber, inwieweit ein „grobes Verschulden“ bei Sachverhalten des Jahres 2020 zu werten ist, genauer gesagt bei Erstellung der Steuererklärung im Jahre 2020.

In vielen Fällen sind in diesem Jahr keine persönlichen Gespräche zustande gekommen. Oftmals gab es zwischen den Steuerpflichtigen und ihren Vertragspartnern (Banken, Hausverwaltungen usw.) sowie zwischen Steuerberatern und ihren Mandanten nur telefonischen und schriftlichen Kontakt, jedoch kein Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Und wenn, dann nur mit einem Mund-Nase-Schutz – neudeutsch „mit Maske“.

Ich wage die Vermutung, dass in diesem Zusammenhang der eine oder andere begünstigende Sachverhalt zunächst unerwähnt blieb. Das ist selbstverständlich nur eine Hypothese. Manchmal fehlen aber einfach der Blickkontakt und die Mimik zum Gegenüber. Ärzte berichten auch häufig, dass ihnen die Mimik ihrer Patienten fehlt, um den Gesundheitszustand richtig einschätzen zu können. Zudem fehlte einigen Steuerpflichtigen angesichts der Anstrengungen während der Corona-Pandemie einfach die Ruhe, um ihre Steuererklärung wie gewohnt vorzubereiten.

Wenn nun also ein Sachverhalt oder ein Beleg zunächst vergessen wurde oder als nicht relevant eingestuft wurde, sich diese Annahme aber als falsch erweist und zum Beispiel bestimmte Werbungskosten erst nach Bestandskraft des Bescheides beim Finanzamt geltend gemacht werden, so sollte dies meines Erachtens im Lichte des derzeitigen Geschehens betrachtet werden. Das heißt: Es sollte nicht umgehend und reflexartig als grobes Verschulden gewertet werden.

Wie gesagt: Wir werden viel verzeihen müssen. Hoffentlich gilt dies auch für die Finanzverwaltung gegenüber ihren Steuerpflichtigen.

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