Paukenschlag: Bundesverfassungsgericht stoppt in letzter Sekunde Bundestag beim Heizungsgesetz

Mit einer einstweiligen Anordnung hat das BVerfG am 5.7.2023 die für den 7.7.2023 angesetzte finale Abstimmung über das sog. Heizungsgesetz gestoppt. Warum und was sind die Folgen?

Hintergrund

Ich habe vor wenigen Tagen im Blog: Nach wochenlangem Streit in der Ampelkoalition und Ablehnung der Opposition sollte die Novelle zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) und weiterer Gesetze – sog. „Heizungsgesetz“ – eigentlich am 7.7.2023 in der letzten Sitzung des Bundestages vor der parlamentarischen Sommerpause abschließend beraten und verabschiedet werden. Der finale, mehrfach geänderte Gesetzentwurf wurde erst am 30.6.2023 fertiggestellt, die Anhörung der Sachverständigen im zuständigen Ausschuss erfolgte am 3.7.2023. Ein BT-Abgeordneter hat nachfolgend beim BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, weil der Ablauf des Beratungs- und Abstimmungsverfahrens ihn in seinen Abgeordnetenrechten beinträchtige.

BVerfG erlässt einstweilige Anordnung und stoppt Gesetzgebungsverfahren

Am späten Abend des 5.7.2023 hat das BVerfG (2 BvE 4/23) mit einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs.1 BVerfGG) nun die für den 7.7.2023 geplante Schlussabstimmung im Bundestag gestoppt. Begründung: Der Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine jedenfalls mit Blick auf das Recht des Antragstellers auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Im Rahmen der vom BVerfG vorzunehmenden Folgenabwägung überwiege unter den besonderen Umständen des Einzelfalls  das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögert.

Wie ist das zu bewerten und was sind jetzt die Folgen für das GEG?

Die Eilentscheidung bedeutet, dass das GEG nicht wie geplant am 7.7.2023 im Bundestag abschließend beraten und beschlossen werden kann. Das BVerfG stellt zur Begründung ausweislich seiner Mittteilung vom 5.7.2023 fest: „Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG garantiert den Status der Gleichheit der Abgeordneten in einem formellen und umfassenden Sinn. Danach sind alle Abgeordneten berufen, gleichermaßen an der parlamentarischen Willensbildung mitzuwirken. Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten. Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können.“

Zwar ist die Parlamentsmehrheit (Art. 42 Abs.2 S. 1 GG) bei einem Gesetzgebungsverfahren der „Taktgeber“. Allerdings dürfen dabei die subjektiven Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte eines vom Volk gewählten Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) nicht übergangen werden. Den Umfang des Abgeordnetenrechts wird das BVerfG im Hauptsacheverfahren – einem Organstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr.1a GG – sicher noch weiter konkretisieren. Dabei wird auch die Frage zu klären sein, ob einem Abgeordnetem eine bestimmte Prüf- und Überlegungsfrist bei der Beratung von Gesetzentwürfen zuzubilligen ist. Jedenfalls ist die Eilentscheidung ein wichtiger Meilenstein für die Abgeordnetenrechte im Gesetzgebungsverfahren; das könnte auch Auswirkungen auf die künftige Ablaufplanung anderer Gesetzgebungsverfahren im Bundestag haben.

Für das „Heizungsgesetz“ bedeutet die Entscheidung nicht das Aus. Allerdings muss der Bundestag nochmals gesondert nach dem 7.7.2023 tagen und beschließen, gff. auch im Rahmen einer Sondersitzung während der Sommerpause oder nach der Sommerpause im September 2023.

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