PCR-Test, Schnelltest, Selbsttest: Deutschland im Corona-Test-Wahn und die Folgen für die Wirtschaft

Im Konflikt zwischen immer noch fehlenden Impfstoffkapazitäten und Lockerungen beim Corona-Lockdown setzt die Politik inzwischen auf ihre nationale Teststrategie.

Aber was bringen Teststrategien im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie wirklich und was bedeuten sie für die Wirtschaft?

Hintergrund

Am 3.3.2021 hat sich die MPK auf umfangreichen Lockerungen vom seit November 2020 geltenden Lockdown verständigt. Hierbei spielt das Inzidenzgeschehen „in Stufen“ eine zentrale Rolle, ferner wird das „Freitesten“ als Allheilmittel für weitere Lockerungsschritte begriffen – bis Deutschland flächendeckend gegen Corona geimpft ist.

PCR-Test, Schnelltest oder Selbsttest – wer blickt da noch durch?

Grundsätzlich werden beim Kampf gegen das Coronavirus zwei Testarten unterschieden: Der in einem Laborverfahren durchgeführte PCR-Test weist als „Goldstandard“ Teile des Viruserbguts nach, das Ergebnis ist verlässlich. Antigentests funktionieren ähnlich wie Schwangerschaftstests und reagieren auf Virusproteine, die Ergebnisse basieren nicht auf einer Laboranalyse, liegen dafür aber schneller vor – deshalb „Schnelltest“. Sog. „Selbsttests“, die ab sofort auch in Discountern erhältlich sind, funktionieren „in Eigenregie“ wie Schnelltests, werden aber nicht von entsprechend geschultem Personal in Testzentren durchgeführt.

Rechtsanspruch auf Antigentest ohne Infrastruktur

Nach § 4a der „Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV2“ hat jeder Bürger seit dem 8.3.2021 einmal wöchentlich Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest. Dafür hat der Bund 150 Mio. Tests bei den Herstellern gekauft, weitere 800 Mio. Schnelltests sind über Rahmenverträge reserviert. Abgerufen werden müssen diese aber von den Ländern, die auch die Infrastruktur durch Abgabe und Durchführung der Schnelltests aufbauen müssen.

Daran hapert es: Arztpraxen oder Apotheken sollen zwar eingebunden werden, aber unter welchen Bedingungen ist weiter unklar. Die von der MPK am 3.3.2021 (Ziff.2) beschlossene „nationale Teststrategie“ mit Umsetzung „bis Anfang April“ droht deshalb zum „Rohrkrepierer“ zu werden.

 

Wann kommt ein nationaler COVID-Impfplan, wann seine Umsetzung?

Ein Allheilmittel gegen die Pandemie sind alle Formen von Tests beileibe nicht, vor allem nicht die Schnell- und Selbsttests. Bei entsprechender Infektion müsste der Schnelltest alle 24 Stunden wiederholt werden, um sicher zu gehen. Selbsttestergebnisse sind fehleranfällig und müssen jedenfalls bei positivem Ergebnis durch einen PCR-Test verifiziert werden. Deshalb sind Tests eigentlich nur ein Placebo, das die Bevölkerung bei negativem Ergebnis schnell in falscher Sicherheit wiegt. Tests sind aber dennoch weiterhin ergänzend erforderlich, um den Zeitraum zwischen zwei COVID-Impfungen zu überbrücken. Denn uneingeschränkte Infektionssicherheit ist auch nach erstmaliger Impfung (noch) nicht gewährleistet.

Sicherheit und damit Nachhaltigkeit von Lockerungsmaßnahmen in der Wirtschaft verspricht nur eine Herdenimmunität mit einer Impfquote von mehr als zwei Dritteln der Bevölkerung. Deshalb muss jetzt umgehend ein nationaler Impfplan auch umgesetzt werden statt nur fortlaufend über einen solchen zu diskutieren. Nach RKI-Informationen sind am 8.3.2021 rund drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Etwa 2,5 Millionen Menschen haben bereits die zweite Dosis Impfstoff erhalten.  Insgesamt haben 6,2 Prozent der Bevölkerung (etwa 5,2 Millionen Menschen) mindestens eine Dosis erhalten. Eine solche bundesweite Impfquote ist im internationalen Vergleich beschämend.

Was bedeutet das alles für die Wirtschaft?

Vor allem die von Schließung betroffenen Wirtschaftsbranchen wie Gastronomie, Hotellerie, Eventbranche und Tourismus haben die Folgen des „Weiter-so-Lockdowns“ mit fragilen Lockerungsschritten auszubaden. Der Handelsverband Bayern rechnet allein für den Zeitraum des bis 28.3.2021 verlängerten Lockdowns mit rund 1,6 Mrd. Euro Umsatzverlust. Innengastronomie, Hotellerie oder Eventbranche haben noch immer keine Perspektive, auf der sich aufbauen lässt.

Die Wirtschaft hat in weiten Teilen bereits signalisiert, dass sie – in wohlverstandenem Eigeninteresse – bereit ist auch eine bundesweite Impfkampagne zu unterstützen, indem sie etwa das eigene Personal impfen lässt. Ob es angemessen wäre, die Wirtschaft mit den Kosten der Impfung zu belasten, darf bezweifelt werden. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes gibt es gem. Unternehmensregister ohne Erziehung/Unterricht und Öffentliche Verwaltung) in Deutschland rund 3,42 Mio. Betriebe, ohne die des Gesundheits-/Sozialwesens (bspw. Kliniken, Heime, etc.) immerhin noch 3,16 Mio. Betriebe. Diese beschäftigen rund – ohne Erziehung/Unterricht und Öffentliche Verwaltung – rund 36,6 Mio. Beschäftigte, ohne Gesundheits-/Sozialwesen rund 30,7 Mio. Beschäftigte. Sollten die Arbeitgeber verpflichtet sein, nur dieses Volumen auf eigene Kosten impfen zu lassen, wäre das ein unzumutbares Belastungsvolumen.

Die Politik muss jetzt neben der Kostenübernahmefrage bei Tests vor allem den Rahmen klären: Wer organisiert die Infrastruktur, wer Fragen der Logistik und Lieferung von Tests, die Vermeidung von Doppelstrukturen, die Verfügbarkeit von Testkapazitäten, die Anforderung an die Dokumentation der Tests oder etwa die Weiterleitung von Daten an die Gesundheitsämter?

Der in der MPK am 3.3.2021 für Freitag 5.3.2021 angekündigte Gipfel der Bundeskanzlerin mit den Verbänden der Wirtschaft wurde kurzfristig abgesagt – „zu viele offene, klärungsbedürftige Fragen…“. Die Verhandlungen sollen wieder aufgenommen werden – hoffentlich mit einem Ergebnis!

 

2 Gedanken zu “PCR-Test, Schnelltest, Selbsttest: Deutschland im Corona-Test-Wahn und die Folgen für die Wirtschaft

  1. Ich verstehe, dass das Testen wichtig ist. Zum einen für das eigene gute Gewissen, wenn man Kontakte zu vulnerablen Gruppen hat. Und zum anderen hilft großangeletes Testen, um das Infektionsgeschehen zu überblicken. Was ich aber wiederum nicht verstehe, sind die Aussagen seitens der Bundesregierung, schnell Testmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und es passiert aber nichts. Dafür kann ich beim Discounter um die Ecke einen Test käuflich erwerben. Wo regelt hier der Markt und wo der Staat?

  2. Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Es ist spannend zu sehen, wie sich alles entwickelt hat. Von der Notwendigkeit einen PCR Test zu machen bis hin zum Tragen einer Maske. Nun haben wir das Jahr 2023 und vieles hat sich verändert.

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