Remote-work in „Corona-Zeiten“

Vorab wünsche ich Ihnen allen etwas verspätet ein vor allem gesundes Jahr 2021. „Corona“ hat uns voll im Griff und es bleibt die Hoffnung, dass weltweit „die Entscheider“ die Rettung mittels Impfung nicht vermasseln. Jedenfalls lassen umlaufende Mutationen des Ursprungsvirus nichts Gutes erwarten.

Die Coronakrise zwingt schon bisher auch die Wirtschaftsprüfer zur Reduzierung der Kontakte. Dies Kontaktmöglichkeiten könnten sich in näherer Zukunft weiter vermindern. Die Reduktion hat erhebliche Auswirkungen auf den Prüfungsprozess, etwa weil die übliche Präsenz beim Mandanten nicht möglich ist. Dies kann bspw. durch Betretungsverbote bei Mandanten oder schon bestehende oder noch weitergehende Eingrenzung der Bewegungsfreiheit des Prüfers durch staatliche Vorgaben verursacht werden. Zudem wird die enge Zusammenarbeit in Präsenz im Team eingeschränkt oder entfällt völlig. Auch krankheitsbedingte Personalengpässe können Probleme auslösen.

Wie kann man mit einer Situation umgehen, in der mangels persönlichem Kontakt zum Mandanten teils die übliche Gewinnung von Prüfungsnachweisen nicht möglich ist?

Das IDW hat sich früh um die Beantwortung Corona-bedingter Fragen verdient gemacht. In seinen fachlichen Hinweisen beschäftigt sich das IDW auch mit Fragen zum remote-work im Rahmen der Abschlussprüfung. Grundgedanke ist, dass der Prüfer alle rechtlich zulässigen und wirtschaftlich vertretbaren Versuche zu unternehmen hat, um die erforderlichen Prüfungsnachweise zu gewinnen. Können notwendige Aufklärungen und Nachweise nicht vom Mandanten zur Verfügung gestellt werden, ist zu entscheiden, ob ein Prüfungshemmnis vorliegt und gegebenenfalls Folgerungen für das Testat bis hin zur Erteilung eines Versagungsvermerks zu ziehen sind. Dies gilt auch für den Fall einer Ursache außerhalb der Kontrolle des Mandanten.

Als mögliche Wege, auf denen im Rahmen von „Fernprüfungen“ Prüfungsnachweise gewonnen werden können, verweist das IDW beispielhaft auf „Videokonferenzen, Rundgänge mit Bildübertragung über ein Smartphone oder Tablet, Einsichtnahme in eingescannte oder fotografierte Unterlagen oder Bildschirme, ggf. ergänzt um Kurzbesuch mit entsprechendem Sicherheitsabstand, Nutzung des Postweges sowie „remote“-Zugänge zum Austausch von Unterlagen“. Es bleibt aber letztlich in der Verantwortung des verantwortlichen Wirtschaftsprüfers, ob er auf diesem Wege qualitativ und quantitativ hinreichende – relevante und verlässliche – Prüfungsnachweise gewinnen kann. In der Anlage zu seinem „Fachlichen Hinweisen v. 21.12.2020“ und in FAQ hat das IDW Arten von Prüfungshandlungen mit Hinweisen verbunden, was ggf. bei der Durchführung von Fernprüfungshandlungen zu beachten sein kann.

Besteht etwa keine Möglichkeit zur Inventurbeobachtung, kann der Prüfer auch ohne Fernprüfung möglicherweise über die Einsichtnahme in die Unterlagen über den späteren Verkauf bestimmter Vermögensgegenstände, die vor dem Aufnahmezeitpunkt erworben wurden, oder durch Beobachtung von Kontrollzählungen an einem alternativen Datum und Prüfung zwischenzeitlicher Bestandsveränderungen Prüfungssicherheit erlangen. Ggf. kommt auch die Inventurbeobachtung durch Inaugenscheinnahme und Beobachtung mittels Echtzeit-Bildübertragungen über ein Smartphone oder einen Tablet-PC oder Einsatz von Drohnen in Betracht. Dabei sind jedoch die höheren Verlässlichkeitsrisiken gegenüber der persönlichen Anwesenheit des Prüfers zu würdigen.

Grundvoraussetzung für den Einsatz ist etwa die Steuerung der Bildübertragung durch den Prüfer und eine geeignete Bild- und Tonqualität. Mittels Steuerung durch den Prüfer kann dieser zur Überprüfung des Vorhandenseins und der Beschaffenheit von Vorräten an bestimmten Lagerorte nach seinem Ermessen Vorräte näher in Augenschein nehmen oder Verpackungen öffnen lassen, um sich von dem Inhalt zu überzeugen. Daher müssen dem Prüfer die Gegebenheiten vor Ort und die Lagerorte bekannt sein und es muss ein Verständnis von der vorgesehenen Vorgehensweise bei der Inventuraufnahme und dessen Kontrolle durch den Mandanten bestehen. Bei Erstprüfungen wird regelmäßig eine Erstbegehung oder ein Drohneneinsatz durch den Prüfer selbst erforderlich sein.

Um die Vollständigkeit der Aufnahme der Vorräte anhand markierter Bestände festzustellen, sollte der gesamte Lagerbereich per Video-Feed begangen werden und sind ausgewählte Bestände daraufhin zu kontrollieren, ob diese in das Inventar aufgenommen wurden („floor to sheet“). Im Einzelfall ist zu würdigen, ob die Videoübertragung tatsächlich eine Beurteilung der Beschaffenheit der Vorräte ermöglicht. Zumindest bei erhöhten Risiken, etwa wegen unzureichender Kontrollsysteme oder erhöhtem Fraud-Risiko wird ggf. eine persönliche Inaugenscheinnahme bspw. hochwertiger Vorratsbestände unvermeidlich sein. Ein Einsatz der Internen Revision des Mandanten stellvertretend für den Prüfer kommt nicht in Betracht, weil dies zu einer unzulässigen Eingliederung in das Prüfungsteam führen würde.

Neben diesem Beispiel zur Inventurprüfung stellen sich zahlreiche weitere Fragen, auf die im Rahmen des Blogs nicht weiter eingegangen werden kann. So ist fraglich, ob und wie Vertraulichkeit und Datenschutz bei der elektronischen Übermittlung von Informationen und Dokumenten gewahrt werden kann. Weiterhin stellen sich etwa die Fragen, wie die Verlässlichkeit in elektronischer Form vorliegender Prüfungsnachweise beurteilt werden kann, welche Voraussetzungen für die Einholung von Bestätigungen Dritter möglich ist oder wie mit der Auslagerung von Rechnungslegung bzw. Geschäftsprozessen des Mandanten auf Dritte umzugehen ist. Zu diesen und weiteren Fragen ist auf den „Fachlichen Hinweise v. 21.12.2020“ zu verweisen.

 Weitere Informationen (auf www.idw.de):

Fachlicher Hinweis des IDW v. 25.3.2020, Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 2)

Fachlicher Hinweis des IDW v. 21.12.2020, Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 3, 2. Update)

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