Rente für besonders langjährig Versicherte: Aktuelles Urteil zur Beschäftigung in Transfergesellschaft

Wer mindestens 45 Versicherungsjahre vorzuweisen hat, kann die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ in Anspruch nehmen. Gerne wird diese Rente auch als „Rente mit 63“ bezeichnet, weil die vor 1953 Geborenen ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen konnten. Wer ab dem 1.1.1953 geboren ist, muss einige Monate länger arbeiten. Bei ihnen wird die Altersgrenze von 63 Jahren stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Doch immer wieder kommt es zu Streitigkeiten bezüglich der Mindestversicherungszeit.

Jüngst hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden, dass auf die Mindestversicherungszeit von 45 Jahren auch Zeiten von Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Transfergesellschaft anzurechnen sind, wenn die Beschäftigung nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers erfolgte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sind (Urteil vom 1.7.2020, L 1 R 457/18).

Der Sachverhalt:

Der Kläger war bis zum 31.1.2012 bei einer Aktiengesellschaft (AG) und nach deren Insolvenzanmeldung im November 2011 noch vom 1.2.2012 bis zum 31.10.2012 in einer Transfergesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn der Altersrente am 1.7.2015 arbeitslos. In einem zwischen dem Kläger, dem Insolvenzverwalter der AG und dem Geschäftsführer der Transfergesellschaft geschlossenen dreiseitigen Vertrag wurde neben der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit der AG zugleich die Begründung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart. Der Kläger beantragte eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte. Diese erfordert eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren (540 Monate) und ist nur gegeben, wenn die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld des Klägers ab 1.11.2012 auf die Mindestversicherungszeiten angerechnet werden. Dies hat die beklagte Rentenversicherung abgelehnt. Auf die Wartezeit von 45 Jahren würden Kalendermonate mit Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur angerechnet, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei. Das sei im Fall des Klägers, dessen letzter Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen sei, nicht der Fall.

Die Sichtweise des Landessozialgerichts:

Das Landessozialgericht sieht die Sache anders und hat die Rentenversicherung zur Gewährung der Rente verurteilt. Die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit seien auch dann erfüllt, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen sei und der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden seien.

Die Beschäftigung in der Transfergesellschaft verlängere faktisch das rechtlich nicht mehr bestehende Beschäftigungsverhältnis mit der insolventen Firma. Die daran anschließende Arbeitslosigkeit bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld sei in diesem Fall weiterhin kausal auf die Insolvenz des früheren Arbeitgebers zurückzuführen. Die Revision wurde zugelassen.

Weitere Informationen:
LSG Bayern Urteil v. 01.07.2020 – L 1 R 457/18

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