Serie Risiko Bilanz – wo man genauer hinschauen sollte: Geschäfte mit Russland

Hoppla, keine Bilanzskandale mehr? Zumindest nicht mehr monatlich. Stattdessen folgt nun die neue monatliche Serie „Risiko Bilanz“, die sich mit der Frage beschäftigt, wo man in der Bilanz genauer hinschauen sollte. Zinswende, Spätfolgen der Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawandel…die Risiken für Unternehmen werden nicht weniger – ganz im Gegenteil.

Gerade derzeit ist die Gefahr für das Aufhübschen der Zahlen besonders groß. Doch gibt es auch Tatsachen wie beispielsweise steigende Zinsen, die die Zahlen beeinflussen. Und die Unternehmen können nur eines tun: Die geltenden Bilanzierungsvorschriften anwenden. Dies wirkt sich nicht immer positiv auf das Jahresergebnis des Unternehmens aus. Damit es zu keinen Fehlinterpretationen kommt, soll diese Serie anhand von Beispielen die Hintergründe aufzeigen.

Im ersten Teil der Serie schauen wir uns das Risiko eines umfangreichen Russlandgeschäftes und die Auswirkungen auf den Abschluss genauer an. Denn trotz eines erzielten Jahresüberschusses, lauern in diesem sehr große Risiken wie das Beispiel eines deutsch-russischen Agrar-Konzerns zeigt. Auch für die Abschlussprüfer sicherlich kein einfaches Mandat.

Risiken in der Bilanz

Eine russische Tochtergesellschaft ist durch den Ukraine-Krieg für Unternehmen ein zunehmendes Risiko geworden. Sicherlich gab es bereits einige Konzerne, die ihre Geschäfte in Russland eingestellt bzw. ihre Tochtergesellschaften verkauft haben. Doch nicht immer ist dies so einfach möglich.

Das Risiko bei dem deutsch-russischen Agrar-Konzern Ekosem ist besonders groß: Obwohl der Hauptsitz im badischen Walldorf liegt, ist das Unternehmen operativ jedoch ausschließlich in Russland aktiv. Daher stellt sich die Frage, inwieweit noch eine Kontrolle über die russische Tochtergesellschaft und die dortigen Zahlungsmittel möglich ist. Denn seit Kriegsbeginn ist es nicht einfach möglich, Erträge einer russischen Tochtergesellschaft in die deutsche Holding zu transferieren. Der Grund? Die Kapitalverkehrsbeschränkungen, die Russland und die EU gegenseitig verhängen. Dies erschwert übrigens auch einen Verkauf von russischen Niederlassungen, wenn dies – anders als bei Ekosem – nicht den Großteil des operativen Geschäftes ausmacht.

Auch wenn das operative Ergebnis des Agrar-Konzerns im Geschäftsjahr 2021 positiv ist: Hohe Zinszahlungen aufgrund einer hohen Verschuldung belasten die Liquidität des Unternehmens. Stopp mal: Geschäftsbericht 2021? Ja, Sie lesen richtig. Denn der Geschäftsbericht für das Jahr 2022 soll erst im vierten Quartal 2023 veröffentlicht werden.

Woran dies liegen mag? Die Abschlussprüfung ist in diesem Fall sicherlich eine große Herausforderung. Und dies liegt nicht an den Wirtschaftsprüfern, sondern ist meines Erachtens sicherlich vielmehr der Komplexität der Situation geschuldet. Sicherlich wird auch die Beschaffung von Unterlagen der russischen Töchter in Kriegszeiten nicht problemlos verlaufen. Gleiches gilt mitunter sicherlich auch für das Unternehmen bei der Erstellung des Jahres- und Konzernabschlusses.

Was noch dazu kommt: Zinszahlungen von Mittelstandsanleihen von Ekosem mussten bereits im vergangenen Jahr mehrmals gestundet werden. Der Grund dafür? Durch die Kapitalbeschränkungen war es dem Konzern nicht möglich, ausreichend Gelder von Russland nach Deutschland zu transferieren. Denn wie bereits erwähnt: Das operative Geschäft des Konzerns findet in Russland statt.

Auswirkungen auf den Abschluss

Der Abschlussprüfer DWP war aufgrund der beschriebenen Tatsachen nicht in der Lage, ein Prüfungsurteil für den Abschluss 2021 abzugeben. Das Risiko besteht auch für den Abschluss 2022, denn leider dauert der Krieg zwischen Russland und der Ukraine immer noch an.

Als Grund für den erteilten Versagungsvermerk führt der Abschlussprüfer unter anderem folgendes an:

„Die Fortführung der Gesellschaft und damit des Konzerns ist davon abhängig, dass die finanzierenden Kreditinstitute in der Russischen Föderation die revolvierend fällig werdenden Finanzverbindlichkeiten refinanzieren und ihre Rechte aus Verletzungen von Kreditvereinbarungen (Covenant Breaches) nicht in Anspruch nehmen. Ausreichende Prüfungsnachweise für einen Verzicht auf bestehende Rechte der finanzierenden Kreditinstitute aus den Kreditvereinbarungen (Covenant Breaches) konnten nicht vorgelegt werden. Gründe hierfür liegen außerhalb der Kontrolle des Unternehmens.“ (Geschäftsbericht Ekosem Agrar AG 2021, S. 120)

Dieses Beispiel zeigt: Nicht immer liegt die Beschaffung fehlender Prüfungsnachweise im Einflussbereich des Unternehmens.

Auch EY, die die Bücher bis 2020 geprüft hatten, hatte dem Konzern einen Versagungsvermerk erteilt (vgl. Geschäftsbericht Ekosem Agrar AG 2020, S. 132). Auch wenn EY in den Jahren davor einen Bestätigungsvermerk erteilt hat, gab es dort seit einigen Jahren weitere wichtige Hinweise. Was genau es damit auf sich hat, lesen Sie im zweiten Teil der Serie im November.

Fazit

Das Beispiel von Ekosem zeigt sehr deutlich, wie externe Einflüsse den Fortbestand eines Unternehmens gefährden können. Und dies selbst dann, wenn das Geschäftsmodell ein Grundbedürfnis wie die Produktion von Lebensmitteln bedient.

Weitere Informationen

 

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