Solidaritätszuschlag: „Framing“ wohin man schaut

In jüngster Zeit ist häufiger von dem englischen Begriff  „Framing“ (zu deutsch „Einrahmen“) zu hören. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Deutungen dieses Begriffs. Ich versuche, sie mit meinen eigenen Worten wiederzugeben: Es wird – insbesondere in der politischen Agenda – ein Schwerpunkt gesetzt. Die politischen Akteure verständigen sich darauf, zu diesem Schwerpunkt ein oder zwei Begrifflichkeiten zu finden, die sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholen und die irgendwann in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen. Wichtiger aber: Da die Begrifflichkeiten und vor allem ihr Zusammenhang von den Medien ungefiltert und unbedacht übernommen werden, gehen sie nicht nur in den Sprachgebrauch, sondern auch in das „Denken“ über.

Wer derzeit die Aussagen der politisch Handelnden rund um das Thema „Solidaritätszuschlag“ verfolgt, findet gute Beispiele für das „Framing“. Es ist immer wieder die Rede von „Keine Steuergeschenke für Millionäre“ oder „Keine Steuergeschenke für DAX-Vorstände.“

Leider bleiben derartige Aussagen zumeist im Raume stehen, ohne dass sie – selbst von renommierten – TV-Journalisten hinterfragt werden (Beispiele: die letzte Talkrunde bei Anne Will oder Manuela Schwesig im ARD-Sommerinterview). Dabei wäre es mit guter Vorbereitung und etwas Nachrechnen sehr einfach, das „Framing“ zu entlarven.

So führt letztlich auch das „Framing“ im Bereich des Solidaritätszuschlags dazu, dass wohl tatsächlich die meisten Menschen davon überzeugt sind, künftig nicht mehr vom Solidaritätszuschlag belastet zu werden, da sie nicht zur seltenen Spezies der DAX-Vorstände gehören. Mit der ersten Gehaltsabrechnung im Jahre 2021 wird dann jedoch das große Erwachen kommen, denn siehe da: Der Solidaritätszuschlag wird auch unzählige Facharbeiter weiter betreffen; insbesondere, wenn der Ehegatte mitarbeitet. Und das sind beileibe weder Einkommens- noch Vermögensmillionäre.

Auch wird es schnell diejenigen treffen, die wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung erhalten. Der Solidaritätszuschlag bleibt ihnen erhalten.

Von daher könnte ein „Framing“ auch lauten: „Solidaritätszuschlag bleibt für hart arbeitende Facharbeiter erhalten.“ Oder: „Solidaritätszuschlag trifft Arbeitslose“. Oder: „Kleinsparer sind weiterhin vom Solidaritätszuschlag“ betroffen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Mir geht es hier nicht darum, gegen den Solidaritätszuschlag zu „wettern“ oder für Steuerermäßigungen zu werben. Mir geht es darum, dass Politikeraussagen in Fragen der Steuerpolitik hinterfragt werden, um Zuschauern, Zuhörern und Lesern die Augen zu öffnen. Und das ist nicht (nur) die Aufgabe von Fachautoren und -journalisten, sondern gerade auch der Politikjournalisten.


Lesen Sie in der NWB Datenbank hierzu auch:

Meier, Solidaritätszuschlag, infocenter, NWB QAAAA-57086
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