Totalüberschussprognose trotz Überschreitens der 66-Prozent-Grenze

§ 21 Abs. 2 Satz EStG lautet: „Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.“ Auch vor 2021 war der Wortlaut kein anderer. Nun ist man also geneigt, das Wort „gilt“ mit dem Attribut „ausnahmslos“ zu versehen. Doch wer das Steuerrecht kennt, weiß, dass es so etwas wie „ausnahmslos“ kaum gibt. Und mit einer solchen – möglichen – Ausnahme muss sich bald der BFH befassen.

Hintergrund ist ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22.1.2021 (5 K 1938/19), das ich leider noch nicht im Wortlaut einsehen konnte. Ich bin aber darauf gestoßen, weil es in der Liste der anhängigen BFH-Verfahren aufgeführt ist (Revision unter IX R 17/21).

Wenn ich richtig liege, hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass eine Totalüberschussprognose trotz Einhaltung der 66-Prozent-Grenze ausnahmsweise doch angezeigt ist, wenn es sich um die Vermietung eines aufwendig gestalteten Wohngebäudes, im konkreten Fall um ein Einfamilienhaus mit weit über 250 qm Wohnfläche, handelt

Auf den ersten Blick scheint die Auffassung aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG wenig Substanz zu haben. Aber es gibt durchaus Rechtsprechung des BFH aus der Vergangenheit, in dem dieser angedeutet hat, dass im Ausnahmefall eine Totalüberschussprognose angeracht sein könnte (z.B. BFH-Urteil vom 30.9.1997, IX R 80/94 und BFH-Urteil vom 6.10.2004, IX R 30/03). Der BFH spricht sich für eine Totalüberschussprognose aus, wenn die Marktmiete den eigentlichen Mietwert nicht widerspiegelt oder wenn ausnahmsweise besondere Umstände gegen das Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht sprechen.

Man darf gespannt sein, wie der BFH nun entscheiden wird, denn mit seinem Urteil vom 22.2.2021 (IX R 7/20) hat er sich selbst Fesseln angelegt, weil er sich hinsichtlich der Prüfung der 66-Prozent-Prozent für den grundsätzlichen Ansatz des Mietspiegels ausgesprochen hat, wenn ein solcher vorhanden ist. Der Fall, der dem entsprechenden Urteil zugrunde lag, betraf zwar keine 250 qm große Wohnung und ist deshalb vielleicht nicht vergleichbar. Allerdings gab es auch hier eine Diskrepanz zwischen dem Mietspiegel und der tatsächlich erzielbaren Miete. Das heißt, die tatsächlich erzielbare Miete lag für die betreffende Wohnung weit über dem Mietspiegel. Dennoch musste die Vermieterin die Miete, die sie von ihrer Tochter verlangte, zur Prüfung der 66-Prozent-Grenze lediglich ins Verhältnis zur ortsüblichen Miete laut Mietspiegel setzen.

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