Überlassung von Geräteschränken im Rechenzentrum keine grundstücksbezogene Leistung

Der Begriff „Vermietung von Grundstücken“ in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL ist dahingehend zu definieren, dass dem Mieter vom Vermieter eines Grundstücks auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, dieses Grundstück wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Dementsprechend stellen Hostingdienste in einem Rechenzentrum, das heißt die Zurverfügungstellung von Geräteschränken für Server der Kunden sowie die entsprechenden Nebenleistungen keine „Vermietung von Grundstücken“ dar, die nach der MwStSystRL von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Dies gilt jedenfalls zum einen, wenn der Dienstleistende seinen Kunden nicht das Recht zusichert, die entsprechende Fläche oder diesen Standort wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen, und zum anderen, wenn die Geräteschränke keinen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes bilden, in dem sie stehen, und dort nicht auf Dauer installiert sind.

So lässt sich ein aktuelles Urteil des EuGH zu einem Fall aus Finnland zusammenfassen, das auch für deutsche Unternehmer von Interesse sein dürfte und das daher nachfolgend kurz vorgestellt werden soll.

Sachverhalt:

A Oy, eine Gesellschaft nach finnischem Recht, bietet u.a. Betreibern, die in Finnland und in anderen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig sind und ihre eigenen Server nutzen, Hostingdienste in ihrem Rechenzentrum an. Die Dienste umfassen die Bereitstellung eines Geräteschranks, von Strom sowie von Dienstleistungen, deren Zweck darin besteht, sicherzustellen, dass die Server unter optimalen Bedingungen genutzt werden können (Überwachung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Kühlung usw.). Die Geräteschränke sind in einem von der A Oy angemieteten Gebäude im Boden festgeschraubt. Die Nutzer bringen in den Geräteschränken anschließend ihre eigenen Geräte unter, die selbst in den Geräteschränken festgeschraubt werden und innerhalb einiger Minuten ausgebaut werden können. Die Kunden verfügen nicht über einen Schlüssel zu dem Geräteschrank, in dem sie ihren Server untergebracht haben, können den Schlüssel jedoch nach Überprüfung ihrer Identität von einem jederzeit bereit stehenden Wachdienst erhalten. Die A Oy hat kein Zugangsrecht zu den Geräteschränken ihrer Kunden.

Es stellte sich die Frage, ob die von der A Oy angeboten Leistungen als eine Dienstleistung der Vermietung von Immobilien anzusehen ist. Im Ausgangssachverhalt ist dies für die Bestimmung des Leistungsorts von Bedeutung. Übertragen auf deutsche Fälle geht es auch um die Frage, ob die Leistungen umsatzsteuerfrei erbracht werden könnten. Wie eingangs erwähnt, sieht der EuGH allerdings keine grundstücksbezogenen Umsätze.

Begründung:

Der Begriff „Vermietung von Grundstücken“ in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL ist dahingehend zu definieren, dass dem Mieter vom Vermieter eines Grundstücks auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, dieses Grundstück wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Das war hier nicht der Fall. Den Kunden wurde zwar eine Fläche oder ein Standort überlassen, ihnen wurde aber nicht das Recht zugesichert, diese Fläche oder diesen Standort wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.

Ob Geräteschränke im Übrigen selbst als vermietete Grundstücke angesehen werden können, hängt davon ab, ob sie einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bilden, das heißt einen Bestandteil, ohne den das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig wären, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge bzw. Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Geräteschränke, die nur im Boden festgeschraubt sind und somit ohne das Gebäude zu zerstören oder zu verändern bewegt werden können, sind nicht „auf Dauer“ installiert und können nicht als Grundstücke eingestuft werden.

Letztlich stellen Hostingdienste in einem Rechenzentrum, d.h. die Zurverfügungstellung von Geräteschränken sowie die Erbringung von Nebenleistungen (Strom, Kühlung usw.), auch keine Dienstleistungen „im Zusammenhang mit einem Grundstück“ dar, wenn die Kunden kein Recht auf ausschließliche Nutzung des Gebäudeteils haben, in dem die Geräteschränke stehen.

Weitere Informationen:
EuGH-Urteil vom 2.7.2020, Rs. C-215/19

 

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