Unternehmenspleite in Sicht – Bilanzielle Konsequenzen und Abschlussprüfung nicht nur im Fall Toshiba

Jüngst war im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Quartalsberichts zu lesen, die Fortführung von „Toshiba“ sei gefährdet. Dabei soll der Prüfer ein Testat bzw. eine Bescheinigung zum Quartalsbericht nicht erteilt haben. Welche Hintergründe könnte eine solche Konstellation haben? Wer trägt wofür Verantwortung?

Nun bin ich kein Fachmann für japanisches Gesellschafts- und Rechnungslegungsrecht und werde mich zum konkreten Fall daher nicht aus dem Fenster lehnen, auch wenn in Japan die International Financial Reporting Standards für die Erstellung eines Konzernabschlusses zur Anwendung kommen können. Da bezüglich der Fortführungsannahme mehr oder weniger ähnliche Regelungen für die Rechnungslegung nach HGB und IFRS wie auch nach den Rechnungslegungsnormen anderer Länder gelten und für die Prüfungstätigkeit ebenfalls eine weitgehende Harmonisierung feststellbar ist, will ich zum Verständnis der Zusammenhänge nachfolgend einen Überblick aus deutscher Sicht geben. Auf die Besonderheiten im Zusammenhang mit Konzernabschlüssen will ich dabei nicht eingehen, weil sie für das Grundproblem nicht von Bedeutung sind.

Dem Jahres- oder Konzernabschluss ist die Annahme über die Fortführbarkeit des Unternehmens (Going Concern) zugrunde zu legen, sofern nicht Informationen nahelegen, dass dies nicht angemessen ist. Die wohl typischste Situation für die Aufgabe der Fortführungsannahme ist eine drohende Insolvenz. Die Folgen der Aufgabe sind erheblich, weil insbesondere das Vermögen auf Liquidationswerte abzuwerten sein kann und gegebenenfalls aus der Unternehmensaufgabe resultierende Schulden, wie Sozialplanverpflichtungen, anzusetzen sind.

Die Verantwortlichkeit für die Beurteilung der Fortführungsannahme liegt bei der für die Abschlusserstellung verantwortlichen Geschäftsführung des Unternehmens. Hierzu wird in der Regel eine Fortführungsprognose zu erstellen sein, die im Rahmen einer fundierten Finanzplanung die Fortführbarkeit über den Prognosezeitraum von mindestens 12 Monaten gerechnet ab dem Abschlussstichtag zeigen soll. Selbst wenn man in Krisensituation die Fortführungsannahme noch nicht verwerfen muss, kann eine Berichterstattung über bestandsgefährdende Risiken erforderlich werden.

Der Abschlussprüfer des Unternehmens hat nicht die Aufgabe, die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu überprüfen und ein Testat darüber abzugeben. Hier liegt häufig ein Missverständnis der externen Abschlussadressaten vor, die glauben ein Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers sei eine Art Siegel zur erfolgreichen Fortführbarkeit des Unternehmens. Dem ist mitnichten so. Zwischen einer solchen Erwartung und der tatsächlichen Aufgabe liegt eine Lücke vor, die auch als Erwartungslücke bezeichnet wird. Der Abschlussprüfer bestätigt mit seinem Testat lediglich die Ordnungsmäßigkeit der Berichterstattung. Wird die marode Lage eines Prüfungsmandanten in der Berichterstattung ordnungsgemäß abgebildet, spricht nichts gegen ein positives Testat des Prüfers. Man wird dann gegebenenfalls einen Zusatz zum Testat erwarten müssen, in dem auf Probleme hingewiesen wird.

Um zu einem Urteil über die Ordnungsmäßigkeit der Berichterstattung kommen zu können, muss sich der Prüfer mit der Fortführungsprognose der Geschäftsführung auseinandersetzen und ihre Plausibilität beurteilen. In der Praxis ist in einer Krisensituation häufig eine Diskussion zwischen Prüfer und Geschäftsführung zu beobachten. Gelegentlich kommt die Geschäftsführung erst zur Einsicht, wenn der Prüfer auf den Zwang hinweist, bei nicht vertretbarer Fortführungsannahme einen Versagungsvermerk (Adverse Opinion) erteilen zu müssen. Spätestens dann bemüht sich die Unternehmensleitung um Maßnahmen zu Abwendung einer Aufgabe der Fortführungsannahme oder zieht die Konsequenzen für die Berichterstattung.

Für den Abschlussprüfer ist die Situation auch deswegen sehr schwierig, weil die Aufgabe der Fortführungsannahme oder auch nur die Berichterstattung über bestandsgefährdende Risiken des Unternehmens schnell zu einer sogenannten Self-fulfilling Prophecy werden. Es handelt sich hier um eine sehr schwierige Abwägung im Einzelfall, die zu den anspruchsvollsten Problemen im Rahmen der Prüfung zählen.

 

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