Verfassungsbeschwerde gegen ungleiche Besteuerung von Abfindungen und Aufgabegewinnen

Erhalten Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung, wird für diese weder ein Freibetrag noch ein ermäßigter Steuersatz gewährt. Lediglich die so genannte Fünftel-Regelung, die eine Erhöhung der Progression verhindern soll, kommt zur Anwendung. Doch diese bewirkt in vielen Fällen keine nennenswerte Steuerminderung, denn die Steuersätze selbst von Facharbeitern nähern sich der 40-Prozent-Marke. Das heißt, mittels Fünftel-Regelung wird der (Grenz-) Steuersatz vielleicht von 42 auf 38 Prozent gesenkt, aber nicht wesentlich darunter.

Ganz anders sieht die Sache bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden aus: Sofern diese Personengruppe ihre Tätigkeit mit Vollendung des 55. Lebensjahres einstellt, wird ein eventueller Veräußerungs- oder Aufgabegewinn mit einem Freibetrag in Höhe von bis zu 45.000 EUR und einem ermäßigten Steuersatz von 56 Prozent des „normalen“ Steuersatzes belohnt. Während Freiberufler und Gewerbetreibende also „unterm Strich“ nur 20 bis 25 Prozent Steuern auf Veräußerungs- und Aufgabegewinne zahlen, müssen Arbeitnehmer für ihren „Aufgabegewinn“ oftmals mit rund 38 bis 40 Prozent Steuern rechnen. Ist dies gerecht?

Ich selbst habe das Thema in einem Editorial vor einiger Zeit aufgegriffen. Tatsächlich hat mich ein Leser nun darüber informiert, dass mein Beitrag ihn zu einer Verfassungsbeschwerde inspiriert hat. Zwar haben in seinem Fall das Niedersächsische FG und auch der BFH – erwartungsgemäß – keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung erkennen konnten. Aber das hält ihn nicht auf, sondern er wagt tatsächlich den Gang nach Karlsruhe.

Ob die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen wird, muss sich noch zeigen. Bis auf Weiteres sollten Betroffene aber gegen die derzeitige Besteuerung ihrer Abfindungen Einspruch einlegen und darauf hinweisen, dass in einem ähnlichen Fall möglicherweise das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. Mit ein wenig Glück wird das Finanzamt die Sache daher zunächst ruhen lassen.

Der Hauptgrund für die unterschiedliche Behandlung der Einkunftsarten liegt übrigens darin, dass in einem Betrieb stille Reserven gebildet werden, also etwa Wertsteigerungen in betrieblichen Immobilien, die bei einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung zusammengeballt zu versteuern sind. Allerdings unterliegen auch die immateriellen Wirtschaftsgüter, also z.B. der Kundenstamm, der ermäßigten Besteuerung. Und wenn man so will, bauen auch Arbeitnehmer ein „immaterielles Wirtschaftsgut“ auf, denn auch sie haben möglicherweise Kundenbeziehungen oder Know-how entwickelt. Letztlich richtet sich die Höhe der Abfindung – zumindest zum Teil – auch nach diesen „Werten“. Insofern ist also durchaus eine Parallele zu erkennen.

Ich wünsche meinem Leser jedenfalls viel Erfolg mit seiner Beschwerde und werde hier weiter über das Thema berichten.

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