Verluste aus dem Entzug von Aktien ohne Entschädigung können steuerlich geltend gemacht werden

Werden Aktien, die nach dem 31.12. 2008 erworben wurden, dem Aktionär ohne Entschädigung entzogen, indem in einem Insolvenzplan das Grundkapital einer Aktiengesellschaft (AG) auf Null herabgesetzt und das Bezugsrecht des Aktionärs für eine anschließende Kapitalerhöhung ausgeschlossen wird, erleidet der Aktionär einen Verlust, der in entsprechender Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG steuerlich geltend gemacht werden kann.

Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 03.12.2019 (VIII R 34/16) gegen die Auffassung des BMF entschieden. Das BMF war dem Revisionsverfahren beigetreten.

Der Streitfall

Die Klägerin hatte am 14.02.2011 und am 16.01.2012 insgesamt 39.000 Namensaktien einer inländischen AG erworben. Im Streitjahr 2012 wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet. In einem vom Insolvenzgericht genehmigten Insolvenzplan wurde gemäß § 225a Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) das Grundkapital der AG auf Null herabgesetzt und eine Kapitalerhöhung beschlossen, für die ein Bezugsrecht der Klägerin und der übrigen Altaktionäre ausgeschlossen wurde. Der börsliche Handel der Altaktien wurde eingestellt.

Da die Klägerin für den Untergang ihrer Aktien keinerlei Entschädigung erhielt, entstand bei ihr ein Verlust in Höhe ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten. Dieser Verlust wurde vom Finanzamt nicht berücksichtigt.

Das Urteil des BFH

Der BFH beurteilte den Entzug der Aktien in Höhe der Anschaffungskosten als steuerbaren Aktienveräußerungsverlust und gab damit dem Kläger Recht. Dieser Verlust sei nach den Beteiligungsquoten auf die Gesellschafter der Klägerin zu verteilen.

Der BFH führte zur Begründung aus, dass der Untergang der Aktien keine Veräußerung darstelle und auch sonst vom Steuergesetz nicht erfasst werde. Insoweit weise das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Die in § 225a InsO geregelte Sanierungsmöglichkeit sei erst später eingeführt worden, ohne dabei die steuerlichen Folgen für Kleinanleger wie die Klägerin zu bedenken. Es widerspreche den Vorgaben des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes in seiner Konkretisierung durch das Leistungsfähigkeits- und Folgerichtigkeitsprinzip, wenn der von der Klägerin erlittene Aktienverlust steuerlich nicht berücksichtigt werde, wirtschaftlich vergleichbare Verluste (z.B. aufgrund eines Squeeze-Out oder aus einer Einziehung von Aktien durch die AG) aber schon, so der BFH.

Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 03.12.2019 – VIII R 34/16

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

78 − = 75