Zur Wirksamkeit inkongruenter Gewinnausschüttungen

Inkongruente Gewinnausschüttungen werden in der Gestaltungspraxis gerne eingesetzt und sowohl vom BFH als auch von der Finanzverwaltung grundsätzlich akzeptiert, auch wenn sich letztere damit jahrelang – wenn nicht jahrzehntelang – schwer getan hat. Mit Schreiben vom 17.12.2013 (IV C 2 – S 2750 a/11/10001, BStBl 2014 I S.63) hat das BMF jedoch die Voraussetzungen für die Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen formuliert. Danach gilt in Bezug auf GmbHs:

Die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung setzt voraus, dass eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnverteilung zivilrechtlich wirksam bestimmt ist. Dies ist bei der GmbH der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag einen anderen Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile erlaubt. Oder: Die Satzung enthält anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss ist mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden.

Nun musste sich das FG Münster mit der Frage befassen, wann eine inkongruente Gewinnausschüttung tatsächlich die zivilrechtlichen Anforderungen erfüllt und folglich von der Finanzverwaltung anzuerkennen ist (Urteil vom 6.5.2020 – 9 K 3359/18 E, AO). Im zugrundeliegenden Sachverhalt sah der Gesellschaftsvertrag der GmbH nämlich offenbar keine Klausel vor, die eine inkongruente Gewinnausschüttung explizit erlaubt hätte. Die zivilrechtliche Wirksamkeit von Gewinnverteilungsbeschlüssen ohne entsprechende satzungsmäßige Absicherung, so der Prüfer des Finanzamts, werde unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender zivilrechtlicher Sicht sei von entscheidender Bedeutung, ob es sich um eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung oder um eine punktuelle Satzungsdurchbrechung handele. Nach dem Beschluss des OLG Dresden vom 9.11.2011 (12 W 1002/11) entfalteten satzungsdurchbrechende Gewinnverteilungsbeschlüsse Dauerwirkung und könnten daher nicht als lediglich punktuell wirkende Satzungsdurchbrechung qualifiziert werden. Der Prüfer akzeptierte die disquotalen Ausschüttungen daher nicht, sondern wies die Ausschüttungen den Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil am Stammkapital der GmbH zu. Er witterte auch noch einen Gestaltungsmissbrauch. Darauf soll es nachfolgend aber nicht ankommen.

Vielmehr soll hier die Begründung des FG Münster zur Zulässigkeit der inkongruenten Gewinnausschüttungen auch ohne satzungsmäßig verankerte „Öffnungsklausel“ wiedergegeben werden:

  • Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH einen von § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel oder eine Öffnungsklausel nicht vorsieht, lässt die zivilrechtliche Wirksamkeit eines unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommenen Beschlusses über die abweichende Gewinnverteilung nicht entfallen.
  • Gesellschaftsrechtlich sind die Gesellschafter frei darin, einander Gewinnanteile zu überlassen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts stellt ein solcher von der Satzung abweichender Gewinnverteilungsbeschluss auch keine Satzungsänderung dar, die zu ihrer Wirksamkeit notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden müsste.
  • Die Rechtsprechung des BGH geht davon aus, dass Gesellschafterbeschlüsse, die Satzungsrecht durchbrechen, aber nur einen Einzelfall regeln, keine Satzungsänderung beinhalten und deshalb auch ohne Einhaltung der für Satzungsänderungen geltenden formellen Vorgaben der §§ 53 f. GmbHG jedenfalls nicht nichtig, sondern wirksam sind (BGH-Urteil vom 11.5.1981 – II ZR 25/80). Die Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit von Satzungsdurchbrechungen, die nicht den Formerfordernissen entsprechen wie sie für Satzungsänderungen gelten, ist dabei – so der BGH – jedenfalls auf punktuelle Regelungen beschränkt, bei denen sich die Wirkung des Beschlusses in der Wirkung der jeweiligen Maßnahme erschöpfe.

Das Urteil ist erfreulich. Es ist allerdings die Revision zugelassen worden, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist (Az. BFH VIII R 20/20).

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