Lehren aus einer BaFin-Prüfung
Die Finanzaufsicht BaFin hat bei einer Stichprobe im Konzernabschluss der artnet AG zum 31. Dezember 2022 mehrere Fehler entdeckt – insbesondere bei der Bewertung von Entwicklungskosten. Laut Geschäftsbericht machen diese einen wesentlichen Teil des Vermögens aus, doch die Prüfung ihrer Werthaltigkeit war lückenhaft oder fand gar nicht statt. Auch die Anhangangaben stimmen nicht vollständig. Um es vorwegzunehmen: Es geht in diesem Beitrag nicht darum, die artnet AG unter die Lupe zu nehmen. Vielmehr geht es in diesem Beitrag um ein Beispiel von Fehlern, Fragen und um eine auffällig teure Abschlussprüfung.
Was die BaFin moniert hat
Die BaFin hat sich im Rahmen einer Stichprobe den Konzernabschluss der artnet AG für das Jahr 2022 genauer angesehen – und dabei einige Schwachstellen entdeckt. Es geht um selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte, also zum Beispiel Software oder Plattformen, die das Unternehmen entwickelt und in der Bilanz angesetzt hat.
Was war das Problem? Artnet hätte prüfen müssen, ob die in der Bilanz ausgewiesenen Entwicklungskosten überhaupt noch werthaltig sind. Diese Überprüfung wurde entweder nicht richtig oder gar nicht durchgeführt – obwohl das in den Regeln des Rechnungslegungsstandards IAS 36 ganz klar gefordert ist.
Im Anhang zum Abschluss steht zudem, dass man den Wert dieser Vermögenswerte mindestens einmal pro Jahr überprüfen würde – aber auch das stimmt so nicht ganz: Diese Prüfung hat in mehreren Fällen gar nicht stattgefunden, obwohl sie vorgeschrieben gewesen wäre. Besonders dann, wenn ein Projekt noch gar nicht abgeschlossen oder noch nicht genutzt wird, muss nämlich getestet werden, ob der angesetzte Wert noch gerechtfertigt ist.
Unterm Strich: Die artnet AG hat hier gegen zentrale Vorschriften der internationalen Rechnungslegung verstoßen – konkret gegen IAS 36 und IAS 38. Das betrifft wichtige Angaben zur Bilanzierung von Entwicklungskosten und kann für Anleger ein verzerrtes Bild vermitteln.
Wer ist artnet überhaupt?
Die artnet AG ist ein Unternehmen, das sich ganz der Kunst verschrieben hat – allerdings digital. Auf ihrer Online-Plattform kann man Kunstwerke kaufen und verkaufen, Auktionen verfolgen und Preise von Kunstwerken recherchieren. Die artnet AG betreibt eine der größten Datenbanken für Kunstpreise weltweit und liefert Infos, die für Sammler, Galerien und Museen spannend sind. Außerdem veröffentlicht artnet News zu Trends und Entwicklungen auf dem Kunstmarkt. Kurz gesagt: artnet bringt Kunst und Internet zusammen.
Und mein Senf dazu
Was mich wundert: Im Geschäftsjahr 2022 hatte der Abschlussprüfer die Aktivierung von Entwicklungskosten – laut Geschäftsbericht – intensiver geprüft, weil diese Position eben einen wesentlichen Bilanzposten darstellt. Die Umsetzung der Werthaltigkeitsprüfung war jedoch offenbar kein Fokus. Bedauerlich. Denn sonst hätte der Prüfer die Fehler womöglich selbst erkannt. Betriebsblind? Oder lag der Fokus zu einseitig auf der Aktivierungsfähigkeit?
Mein Kollege Michael Kunert (SdK) hat in den letzten Jahren wiederholt Kritik geäußert: Die stark gestiegenen Prüfungskosten und die sehr lange Mandatsdauer – deutlich über zehn Jahre – werfen Fragen auf. Auch der Aufsichtsrat wurde mehrfach nicht entlastet. Es gab also durchaus Hinweise auf Verbesserungsbedarf.
Zumindest der Abschlussprüfer wurde inzwischen ausgetauscht: Seit 2023 prüft Rödl & Partner den Abschluss der artnet AG. Die Kosten sind dabei kräftig gestiegen – auf 313 Tsd. Euro für die Konzernabschlussprüfung 2023. Zum Vergleich: 2021 lagen die Kosten noch bei 96 Tsd. Euro, wovon zudem 26 Tsd. Euro auf das Vorjahr entfielen.
Diese Geschäftsberichte werde ich mir künftig noch genauer anschauen. Ich hoffe, auch der neue Abschlussprüfer tut das ebenfalls. Denn gerade bei einem digitalen Unternehmen, das stark in immaterielle Vermögenswerte investiert, ist eine sorgfältige und transparente Berichterstattung essenziell – nicht nur für Fachleute, sondern auch für Anlegerinnen und Anleger ohne tiefes Bilanzwissen.
Weitere Informationen:
- Fehlerfeststellung der BaFin vom 20.05.2025 (bafin.de)
- DSW-Stellungnahme zur Hauptversammlung 2025 (dsw-info.de)
- Abstimmungsempfehlungen der SdK zur Gesellschaft (sdk.org)
Ein Beitrag von:
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- Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
- Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
- Fachbuchautorin
- Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
- Mehr unter carolarinker.de
Warum blogge ich hier?
Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.