40 Tage bis zur Bundestagswahl: Steuersenkungen in Aussicht?

Am 24.09.2017 sind die Deutschen zur Wahl gerufen. Doch was kommt danach? Aufschluss geben die Wahlprogramme der Parteien, die Startpunkt für die Koalitionsverhandlungen sind. Dieser Blogbeitrag analysiert die Parteiaussagen zum Einkommensteuertarif und dem Solidaritätszuschlag.

Die guten Haushaltszahlen machen es möglich: Nahezu alle wesentlichen Parteien stellen in ihren Programmen Steuerentlastungen bei Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Aussicht. Das Füllhorn der Wahlversprechen sprudelt also.

FDP: mutige Steuersenkungen

Erwartungsgemäß prescht die FDP am mutigsten voran. Mindestens 30 Mrd. Euro Entlastung sollen es sein. Wie genau die Summe aufgeteilt werden soll, verraten die Liberalen aber nicht. Gut die Hälfte davon dürfte jedenfalls für die Abschaffung des Solis schon bis Ende 2019 einzuplanen sein. Zur Bekämpfung der kalten Progression soll der ESt-Tarif dauerhaft „auf Räder gestellt“ und nach rechts verschoben werden. Aufgrund der Niedrigzinsphase und geringen Inflation mag dies den Steuerpflichtigen vorerst nicht viel bringen, politisch dürften aber gerade die geringen „Kosten“ aktuell ein Zeitfenster für einen solchen Schritt öffnen; konkrete Eckdaten zur genauen Tarifausgestaltung oder der Änderung der Tarifeckwerte nennen die Liberalen nicht. Von einem Stufentarif, 2013 und vor allem 2009 noch eine Kernforderung der FDP, hat man sich offenbar verabschiedet. Dagegen erweckt die FDP den Halbteilungsgrundsatz in abgewandelter Form zu neuem Leben. Die Gesamtbelastung von direkten Steuern und Sozialabgaben soll 50% nicht übersteigen.

CDU: weniger spendabel

Etwas weniger spendabel gibt sich die Union, die Partei der schwarzen Null und des Haushaltsausgleichs. Immerhin 15 Mrd. Euro Entlastung bei der Einkommensteuer und 4 Mrd. beim Solidaritätszuschlag sollen es aber doch sein, wenn es nach der CDU/CSU geht. Das macht zusammen respektable 19 Mrd. Euro. Im Unklaren bleibt jedoch, wie viel sich die Union die im Programm versprochene Verringerung des Mittelstandsbauchs kosten lassen möchte. Denn ein erheblicher Teil der für die Einkommensteuerentlastung geplanten Summe könnte für die Familienförderung draufgehen. Dazu soll nämlich der Kinderfreibetrag deutlich erhöht bzw. das Kindergeld um 25 Euro angehoben werden. Wenn außerdem auch das geplante Baukindergeld aus dem 15-Mrd.-Topf der Union finanziert werden sollte, bliebe nicht mehr viel für eine Tarifsenkung übrig. Sicher ist aber, dass der ESt-Spitzensatz erst bei einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 60.000 Euro pro Person greifen soll. Mit dem Soli will man sich deutlich mehr Zeit lassen als die liberale Konkurrenz und ihn erst ab 2020 schrittweise abschaffen.

SPD: konkrete Planungen

Die SPD will zwar lediglich 10 Mrd. Euro für Steuerentlastungen springen lassen; dafür wird sie zum „wie“ konkreter. Der Grenzsteuersatz von 42% soll – wie bei der Union – erst ab einem zvE von 60.000 Euro erreicht werden. Im Unterschied zur Union soll der Grenzsteuersatz danach aber weiter linear-progressiv bis auf 45% bei 76.200 Euro ansteigen und schließlich bei 250.000 Euro auf 48% – die neue „Reichensteuer“ – springen. Beim Soli überholt die SPD die Union und will ihn ab 2020 für Einkommen bis 52.000 Euro komplett abschaffen. Kapitalgesellschaften würden im Rahmen der Körperschaftsteuer davon gleichwohl nicht profitieren, da in diesem ersten Schritt die Soli-Freigrenze angehoben werden soll, die nur für die Einkommensteuer gilt.

Für Verdienste oberhalb der neuen Soli-Freigrenze ergeben sich damit im Zusammenspiel von Einkommensteuer und Soli merklich steigende Grenzbelastungen. Schon ab einem zvE von 76.200 Euro schlägt die Steuer mit knapp 47,5% zu (ohne Kirchensteuer). Bisher wird dieser Wert erst bei einem fast 3,5-mal so hohen zvE von 256.304 Euro erreicht. Einkommen dieser Kategorie sollen dank der SPD-„Reichensteuer“ gar mit einem Grenzsteuersatz von 50,64% beglückt werden. Personengesellschaften müssten sich unter einer SPD-geführten Regierung daher mit deutlichen Steuererhöhungen auseinandersetzen. Ohne einen genauen Zeitpunkt zu nennen, sagen die Sozialdemokraten immerhin zu, auch den zunächst verbleibenden Soli stufenweise abzuschmelzen – vielleicht ein Hoffnungsposten für eine übernächste Bundestagswahl.

Die Grünen: stiefmütterlich

Die Grünen behandeln Soli und Einkommensteuertarif eher stiefmütterlich. Zum Soli gibt es im Wahlprogramm gar keine Aussage. Beim Steuertarif soll nur umverteilt werden, indem der Grundfreibetrag angehoben und im Gegenzug der Steuersatz oberhalb 100.000 Euro erhöht wird.

Die Linke: teure Umverteilung

Die Linke hat da schon genauere – und teurere – Umverteilungsvorstellungen. Zwar soll der Grundfreibetrag deutlich auf 12.600 Euro angehoben werden. Danach steigt der anvisierte Tarifverlauf aber steil und dauerhaft und erreicht 53% Grenzbelastung bei 70.000 Euro zvE. Ab 260.000 Euro sollen gar 60% fällig werden und wer 1 Mio. Euro im Jahr verdient, ist ab diesem Betrag mit 75% dabei. Obendrein will die Linke auch noch den Soli beibehalten, von dessen Abschaffung im Wahlprogramm jedenfalls nicht die Rede ist. Ein wahrer Steuererhöhungsrausch für Leistungsträger also, der den Linken vorschwebt.

AfD: unkonkret

Auch die AfD äußert sich in ihrem Programm zur Einkommensteuer, wenn auch reichlich unkonkret. So soll der Tarif Stufenform bekommen. Steuersätze oder Aufkommenswirkungen werden aber nicht genannt. Der Tarif wie auch alle Freibeträge usw. sollen indiziert und (offenbar) an die Preisentwicklung gekoppelt werden. Das Ehegattensplitting soll durch ein Familiensplitting ersetzt werden.

Fazit:

Die Steuerprogramme der Parteien kommen angesichts der nicht enden wollenden Rekordpegel bei den Steuereinnahmen und trotz ungebremster Ausgabenwünsche der Politik nicht an Entlastungen bei der Einkommensteuer vorbei. Für kleine und mittlere Einkommen wird es hier auf jeden Fall günstiger. SPD, Grüne und Linke wollen dafür bei höheren Einkommen teils deutlich stärker zuschlagen. Selbst im aktuell unwahrscheinlichen Fall eines Rot-Rot-Grünen Wahlsiegs im September sollten Union und FDP aber über den Bundesrat genügend Einfluss in die Waagschale werfen können, um politischen Übermut zu verhindern.

Der SPD kommt der Verdienst zu, den Weg für einen Einstieg in den Ausstieg beim Soli freigemacht zu haben. Mit der Festlegung im Wahlprogramm der Sozialdemokraten ergibt sich nunmehr zusammen mit Union und FDP eine klare parlamentarische Mehrheit, um ab 2018 diesen überfälligen Schritt zu gehen. Wie lange sich der Soli-Abbau letztlich hinziehen wird, steht aber in den Sternen.

Lesen Sie hierzu auch im NWB Experten-Blog:

 

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