Kein Pardon bei der Rückzahlung von Corona-Soforthilfen!

In zwei aktuellen Entscheidungen hat das OVG Münster den formularmäßigen Verzicht auf Corona-Soforthilfen (OVG Münster 16.5.2025 – 4 A 2928/24 und 4 A 2929/24) ebenso für rechtmäßig erklärt wie die Rückforderung von Soforthilfen bei verbundenen Unternehmen (OVG Münster 15.5.2025 – 4 A 2550/22, 4 A 2551/22 und 4 A 274/23).

Wie ist das zu bewerten?

Hintergrund

Mit Beginn der Corona-Pandemie gab es seit März 2020 auf Basis eines BMWK- Bundesförderprogramms in den Ländern für kleine Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe, die durch die Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten waren, eine sog. Corona-Soforthilfe nach Maßgabe landesrechtlicher Förderbestimmungen. Mit pauschalen Einmalbeträgen sollten insbesondere die wirtschaftliche Existenz von Kleinunternehmen gesichert und akute Liquiditätsengpässe wegen laufender Betriebskosten überbrückt werden, z.B. Mieten und Pachten, Kredite für Betriebsräume oder Leasingraten. „Die Einmalzahlungen müssen nicht zurückgezahlt werden“, hieß es in den Presseverlautbarungen des Bundes. Später erfolgten allerdings – in den Ländern unterschiedliche – Rückmelde- bzw. Überprüfungsverfahren mit dem Ziel, zu Unrecht ausgereichte Fördermittel zurückzufordern.

Wirksamer formularmäßiger Verzicht auf Corona-Soforthilfen

Die Kläger hatten Ende März 2020 jeweils zur Milderung pandemiebedingter Notlagen ihres Unternehmens, insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, NRW-Soforthilfen 2020 für drei Monate erhalten. Sie waren in 2021 um Rückmeldung über den Liquiditätsengpass im Bewilligungszeitraum gebeten worden. Hierfür hatten sie ein elektronisches Formular erhalten, auf dem sie unter der Überschrift „Verzicht auf die NRW-Soforthilfe 2020“ versicherten, keinen Liquiditätsengpass gehabt zu haben, deshalb auf Soforthilfen zu verzichten und in Anspruch genommene Mittel zurückzuzahlen.

Nachdem sich die Kläger später vor Gericht gegen Erstattungsbescheide gewehrt hatten, hat das OVG Münster jetzt den Verzicht für wirksam erklärt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der abgegebenen Verzichtserklärungen und deren erkennbaren Sinn und Zweck haben die Kläger unmissverständlich angegeben, sie hätten im Förderzeitraum keinen Liquiditätsengpass im Sinne der Förderbedingungen gehabt und deshalb unwiderruflich erklärt, dass sie die mit dem Bewilligungsbescheid gewährte Soforthilfe (einschließlich fiktivem Unternehmerlohn) nicht in Anspruch nehmen wollen. Auf die Antragsteller sei weder Druck noch Zwang ausgeübt worden. Die Revision zum BVerwG wurde nicht zugelassen.

Rückzahlung von Soforthilfen bei verbundenen Unternehmen

Der Kläger des einen Ausgangsverfahrens war Einzelunternehmer vier verschiedener Gastronomiebe­triebe und alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, de­ren Gegenstand der Betrieb von Gaststätten war, sowie alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co KG und alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der persönlich haf­tenden GmbH.  Antragsgemäß erhielten die Kläger NRW-Soforthilfe 2020. Dabei mussten sie u. a. versichern, dass ihr Unternehmen unabhängig ist, damit weder ein Partnerunternehmen noch ein ver­bundenes Unternehmen ist, sich also nicht im Mehrheitsbesitz (über 50% der Anteile oder der Stimmrechte) eines anderen Unternehmens befindet. Daraufhin wurden ihnen zunächst Soforthilfen als einmalige Pauschalen bewilligt.

Später wurden die Bewilli­gungsbescheide zurückgenommen, weil es sich bei den Betrieben jeweils um Teilun­ternehmen eines verbundenen Unternehmens gehandelt habe und die Bewilligung da­her durch falsche Angaben erwirkt worden sei. Das OVG Münster hat – anders als die Vorinstanzen – die Rücknahmebescheide bestätigt und die hiergegen gerichteten Klagen abgewiesen. Die Bewilligungen der NRW-Soforthilfen 2020 verstießen gegen europäisches Beihil­fenrecht, wenn sie an ein einzelnes Unternehmen ausschließlich unter Berücksichti­gung seiner eigenen Wirtschaftslage geleistet wurden, obwohl dieses Teil eines Un­ternehmensverbundes war, meint das OVG Münster. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Einordnung und Bewertung

Zugegeben: Die Corona-Wirtschaftshilfen des Bundes und der Länder waren während der Corona-Pandemie nicht nur ein bewährtes, sondern ein notwendiges Mittel, um von Betriebsverboten betroffene Unternehmen angesichts gravierender Umsatzeinbrüche vor dem wirtschaftlichen Aus zu retten. Die Abrechnung und ggf. Rückzahlung der Corona-Wirtschaftshilfen (Soforthilfen, Überbrückungshilfen, Neustarthilfen) ist auch im Frühsommer 2025 noch nicht endgültig abgeschlossen, eine endgültige finanzielle Bilanz des Bundes und der Länder liegt noch nicht vor.

Allerdings zeigen die aktuellen OVG Münster-Entscheidungen auch, dass es kein Entrinnen gibt, wenn der Staat mutmaßlich zu Unrecht ausgereichte Fördermittel zurückfordert. Das ist zunächst nicht zu beanstanden, ja im Gegenteil zu begrüßen, weil die Fördermittel aus Steuergeldern finanziert wurden. Als fader Beigeschmack bleibt allerdings, dass viele (redliche) Fördermittelempfänger auf politische Ankündigungen („Die Einmalzahlungen müssen nicht zurückgezahlt werden“) etwas voreilig vertraut haben.

Das hat nicht nur das Vertrauen in politische Versprechen beschädigt, sondern kann für etliche Unternehmen im Nachhinein zur Pleite führen.

Weitere Informationen:
NWB Online-Nachricht: Corona | Formularmäßiger Verzicht auf NRW-Soforthilfen 2020 ist wirksam (OVG NRW)

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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