Kann ein Freiberufler, speziell ein Anwalt, eine Tätigkeit aus rein privaten Gründen heraus betreiben, so dass bei lang andauernden Verlusten eine Liebhaberei unterstellt werden kann? Die Antwort lautet „Ja“. Dies hat der BFH erst kürzlich bestätigt. Es gibt keine Regelvermutung, wonach selbst eine Kanzlei mit hohen Umsätzen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird (BFH-Beschluss vom 13.5.2025, VIII B 50/24).
Die aktuelle BFH-Entscheidung dürfte beispielsweise Freiberuflern, die ihre Kanzlei oder Praxis nur aufrechterhalten, damit diese später von Sohn oder Tochter übernommen werden kann, nicht gefallen.
Der Sachverhalt:
Ein Rechtsanwalt war lange Jahre Partner in einer Sozietät, ist dort aber irgendwann ausgeschieden. Er führt seine Kanzlei als Einzelunternehmer fort. Dabei beschäftigt er Personal und hat Räumlichkeiten angemietet. Er erwirtschaftet zwar nennenswerte Umsätze, doch die laufenden Kosten sind so hoch, dass kein Gewinn erreicht wird. Der Rechtsanwalt entfaltet einerseits keine Aktivitäten, um die Ausgaben zu vermindern, andererseits lassen sein Alter und die Kanzleistruktur die Vermutung zu, dass die Honorareinnahmen nicht bedeutsam gesteigert werden können. Das Finanzamt erkennt die Verluste daraufhin mit dem Hinweis auf das Vorliegen einer Liebhaberei nicht an. Der Rechtsanwalt hingegen argumentiert, es sei bei der Beschäftigung von Mitarbeitern in einer Anwaltskanzlei und der Erzielung hoher Honorareinnahmen in der Regel zu vermuten, dass die Kanzlei mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Zudem müsse eine generationenübergreifende Totalgewinnprognose unter Einbeziehung seiner Rechtsnachfolgerin in Betracht gezogen werden, da abzusehen sei, dass seine Tochter die Kanzlei in einigen Jahren unentgeltlich übernehmen werde. Doch die Klage war erfolglos und die Nichtzulassungsbeschwerde ist gescheitert.
Die Begründung in aller Kürze:
Zwar ist eine Rechtsanwaltskanzlei regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen zu dienen, so dass die Annahme einer Liebhaberei üblicherweise ausscheidet. Doch langjährige Verluste eines selbstständig tätigen Rechtsanwalts, dessen Einnahmen ohne plausible Gründe stagnieren und der seinen Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreitet, können dafür sprechen, dass er seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführt. Dann ist ein Abzug der Verluste zu versagen. Zumindest muss der Anwalt das Finanzamt vom Gegenteil überzeugen. Bei der insoweit erforderlichen Totalgewinnprognose sind weder die frühere anwaltliche Tätigkeit als Sozius zu berücksichtigen noch eine generationenübergreifende Betrachtung erforderlich (vgl. auch BFH-Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97; BFH-Urteil vom 14.12.2004, XI R 6/02).
Denkanstoß:
Das Finanzamt darf aus lang andauernden Verlusten nicht per se den Schluss ziehen, die Tätigkeit würde aus privaten Motiven heraus betrieben und folglich Liebhaberei unterstellen. Es muss schon hinreichend Gründe vortragen, um die Einkünfteerzielungsabsicht zu erschüttern (FG Münster, Urteil vom 13.6.2023, 2 K 310/21 E). Das heißt aber nicht, dass bei Freiberuflern niemals eine Liebhaberei angenommen werden kann. Insofern ist es ratsam, möglichst frühzeitig Beweisvorsorge zu betreiben, um dem Finanzamt gegenüber darlegen zu können, dass ernsthafte Bemühungen zur Verbesserung der Umsatz- und Gewinnsituation erfolgt sind.
Übrigens, nur am Rande: Das Finanzamt darf die Gewinnerzielungsabsicht auch erst nach einigen Jahren überprüfen und die Steuerbescheide bis dahin vorläufig erlassen. In diesem Sinne hat das FG Münster bezüglich der nebenberuflichen Tätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin entschieden; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH verworfen (FG Münster 21.4.2023, 14 K 1263/21 E; BFH 17.7.2024, VIII B 48/23).
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.