A1-Entsendebescheinigung über Zuständigkeit des Sozialversicherungssystems grundsätzlich bindend

Bei einem grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern ist zu klären, welches Rechtssystem sozialversicherungsrechtlich anzuwenden ist. Innerhalb der EU gilt, dass Arbeitnehmer ausschließlich den Regelungen eines Mitgliedsstaates unterliegen. Normalerweise sind das die Regelungen des Landes, in dem der Arbeitnehmer tätig wird. Folge davon ist, dass ein Wechsel zwischen den jeweiligen Sozialversicherungssystemen bei Auslandseinsätzen erfolgt. Dies aber widerspricht wiederum dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit und der Freizügigkeit. Vor dem Hintergrund dieses Konflikts hatte der EuGH einen konkreten Fall zu entscheiden.Der Streitfall: Arbeitnehmer aus Ungarn wurden nach Österreich entsandt. Es wurden A1-Bescheinigungen über Zuständigkeit des ungarischen Sozialversicherungssystems ausgestellt. Dies geschah teilweise rückwirkend und teilweise auch in den Fällen, in denen der österreichische Sozialversicherungsträger bereits festgestellt hatte, dass die betreffenden Arbeitnehmer in Österreich sozialversicherungspflichtig sind.

Der EuGH entschied hierzu wie folgt (Urteil vom 6.9.2018 – C-527/16):

1. Grundsätzlich ist die vom zuständigen Träger eines Mitgliedsstaates ausgestellte A1 – Bescheinigung sowohl für die

  • Träger der sozialen Sicherheit als auch
  • für die Gerichte des Mitgliedstaates, in denen der Arbeitnehmer tätig wird

bindend. Die Bindungswirkung besteht so lange, bis die Bescheinigung entweder widerrufen oder für ungültig erklärt wurde. Eine Ausnahme besteht nur bei Betrug und Rechtsmissbrauch.

2. Weiter hatte der EuGH entschieden, dass eine A1 Bescheinigung Rückwirkung(!) entfalten kann. Dies sei auch der Fall, wenn zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung der zuständige Träger des Ausübungs-Mitgliedsstaates (hier Österreich), bereits den betreffenden Arbeitnehmer seiner Pflichtversicherung unterworfen hat. Die Bindungswirkung der A1 – Bescheinigung des Ausübungsstaates kann also durch die rückwirkende A1- Bescheinigung eines anderen Mitgliedsstaates aufgehoben werden.

3. Der EuGH hat weiter entschieden, dass ein entsandter Arbeitnehmer, der einen Arbeitnehmer – von einem anderen Arbeitgeber – entsandten Arbeitnehmer ablöst, nicht den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsende-Arbeitgeber-Mitgliedstaates unterliegt. Denn es gilt der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer dem Sozialversicherungssystem des Tätigkeitsmitgliedsstaates unterliegt.

Die Folgen dieser Entscheidung sind gravierend: Der Arbeitgeber kann sich nicht mehr auf die einmal erteilte A1 – Bescheinigung verlassen. Falls sie irgendwann einmal widerrufen oder für ungültig erklärt wird, muss der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeträge dieser entsandten Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt an die ausländischen Kassen des jeweiligen Mitgliedsstaates entrichten.

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