Abzinsung von Verbindlichkeiten – verfassungsrechtliche Zweifel am Zinssatz von 5,5 %

Das Finanzgericht Hamburg hat mit seinem Beschluss vom 31.01.2019 (2 V 112/18) vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abzinsung von Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt. Nach Auffassung des 2. Senats des FG Hamburg bestehen verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe.

Grundsätze der Abzinsung

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Hiervon ausgenommen sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Das Abzinsungsgebot wurde mit Wirkung vom 01.01.1999 eingeführte. Es soll dem Umstand Rechnung tragen, dass unverzinsliche Geldleistungsverpflichtungen weniger belastend sind als marktüblich verzinste Schulden. Sie gebieten daher eine Abzinsung auf den niedrigeren Teilwert.

Kritik und Verfahren zur Zinshöhe

Die in den Steuergesetzen festgelegten typisierenden Zinssätze von 6 % (§ 238 AO und § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) bzw. von 5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) sind in der anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend in die Kritik geraten, weil sie durch ihre „realitätsferne Bemessung“ den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren haben.

Aus diesem Grund sind beim Bundesverfassungsgericht verschiedene Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze anhängig (2 BvR 2706/17, 2 BvL 22/17, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat daher bereits im vergangen Jahr mit Beschlüssen vom 25. April 2018 – IX B 21/18 (BStBl 2018 II S. 415) und vom 3. September 2018 – VIII B 15/18 (BFH/NV 2018, S.1279) bezogen auf § 233a AO Aussetzung der Vollziehung (AdV) wegen „schwerwiegender verfassungsrechtlicher Zweifel“ an der Zinshöhe von 6 % nach § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gewährt.

Auch die Verwaltung setzt deswegen seit Ende 2018 auf Antrag die Vollziehung von Zinsbescheiden für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2012 aus.

FG Hamburg gewährt vorläufigen Rechtsschutz

Vor diesem Hintergrund hat der 2. Senat des FG Hamburg nun auch ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungszinssatzes von 5,5 % gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG geäußert und daher die Aussetzung der Vollziehung gewährt. Damit hat er dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes den Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes eingeräumt.

Die Beschwerde an den BFH wurde zugelassen.

Fazit

In unseren Steuergesetzen schlummert noch an so manch anderer Stelle eine Verzinsung, wie beispielsweise im Fall der nicht abziehbaren Schuldzinsen bei Überentnahmen gemäß
§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG oder der Auflösung einer § 6b Rücklage gemäß § 6b Abs. 7 EStG. Es bleibt abzuwarten, ob auch diese irgendwann zum Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens werden.

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