Pflichtveranlagung: Nicht bis zum letzten Tag warten

Im Zusammenhang mit der Abgabe von Steuererklärungen müssen zwei Fristen unterschieden werden: die Abgabefrist und die Festsetzungsfrist. Während zur Einhaltung der erstgenannten Frist eine Abgabe der Steuererklärung am letzten Tag zulässig ist, kann dies in Bezug auf die Festsetzungsverjährung ins Auge gehen. Zumindest, wenn eine Erstattung erwartet wird. Doch der Reihe nach.

Eine Antragsveranlagung ist innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des entsprechenden Steuerjahres zulässig. Für den Veranlagungszeitraum 2017 müsste die Einkommensteuererklärung also bis zum 31.12.2021 abgegeben werden. Für die Einhaltung der Festsetzungsfrist kommt es zwar eigentlich nicht darauf an, wann die Steuererklärung beim Finanzamt eingeht, sondern wann der Steuerbescheid den Bereich der zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Aber: Ein Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO verhindert die Verjährung. Und allein schon die Einreichung der Steuererklärung ist als entsprechender Antrag zu werten (BFH-Urteil vom 20.1.2016, VI R 14/15; BFH-Urteil vom 13.2.2020, VI R 37/17).

Anders liegt die Sache bei einer Pflichtveranlagung. Zwar tritt die Festsetzungsverjährung hier aufgrund der dreijährigen Anlaufhemmung erst später ein (vorausgesetzt, es wurde zuvor keine Steuererklärung abgegeben). Aber: Die Abgabe der Erklärung allein hemmt nicht die Festsetzungsverjährung. Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kann für sich allein eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO grundsätzlich nicht herbeiführen (BMF, BStBl 2015 I S. 76).

Zudem hat der Bundesfinanzhof kürzlich erneut entschieden, dass der Tag der Einreichung der Steuererklärung – bei einer Pflichtveranlagung – für den Ablauf der Festsetzungsfrist unerheblich ist.

Im Übrigen hat ein Steuerpflichtiger keinen Anspruch auf zügige Bearbeitung seiner Erklärung, schon gar nicht innerhalb eines Tages (BFH-Urteil vom 28.7.2021, X R 35/20). In dem Urteil heißt es unter anderem: „Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann nicht erwartet werden, dass der Steuerbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist den Bereich der Finanzbehörde verlässt, wenn die Steuererklärung erst einen Tag vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Finanzamt eingereicht wird.“

Praxistipp:

Wer spät dran ist, sollte neben der Abgabe der Steuererklärung eine von zwei Möglichkeiten nutzen, um den Ablauf einer Frist für die Veranlagung von vornherein zu verhindern:

  1. Mit der Steuererklärung wird zugleich ein Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO gestellt. Die Steuererklärung allein ist bei einer Pflichtveranlaguing – wie erwähnt – kein Antrag nach § 171 Abs. 3 AO. Und der Antrag ohne ausdrückliche Begründung und ohne genaue Benennung des Antragsziels ist ebenfalls unzureichend. So sollten – besser müssen – etwa die einzelnen Einkünfte, der Gesamtbetrag der Einkünfte, das zu versteuernde Einkommen und die festzusetzende Steuer im Antrag genau beziffert werden. Das ist zugegebenermaßen aufwendig.
  2. Verfahrensrechtlich vielversprechender ist ein Untätigkeitseinspruch gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 AO, der gemäß § 171 Abs. 3a AO zur Ablaufhemmung der Verjährung führt (BFH-Urteil vom 22.1.2013, IX R 1/12). Ein solcher Einspruch empfiehlt sich, wenn das Finanzamt „binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.“ Dies kann wohl nach einem halben Jahr Stillstand angenommen werden. Insgesamt sind Untätigkeitseinsprüche aber eher ein unschönes Instrument.

Vielleicht wäre es insgesamt besser, die Steuererklärung frühzeitig einzureichen und im Laufe des Dezembers höflich beim Sachbearbeiter des Finanzamts nachzufragen, ob noch in diesem Jahr mit dem Steuerbescheid zu rechnen ist.


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