Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU“ bei 4/3-Rechnern unverhältnismäßig!

Viele Jahre waren die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachten, bevor sie Anfang 2015 durch die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“(GoBD) abgelöst wurden.

Beiden Regelungen ist gemein, dass sie von der Finanzverwaltung und leider auch zuweilen von den Finanzgerichten (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg 12.6.2018, 8 K 501/17) mit einem Gesetzescharakter versehen werden, der ihnen aber nicht zukommt. Die wesentlichen Bestimmungen zum Datenzugriff ergeben sich aus § 147 Abs. 1 und Abs. 6 AO. Und auf diese kommt es an. Diese Erfahrung musste auch ein Finanzamt aus dem Münchner Raum machen, das von einem Einnahmen-Überschussrechner zusammen mit der Prüfungsanordnung „die Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU“ angefordert hat. Doch ein solches Verlangen ist unverhältnismäßig.

Dazu der BFH mit Urteil vom 7.6.2021 (VIII R 24/18): Die Aufforderung der Finanzverwaltung an einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, zu Beginn einer Außenprüfung einen Datenträger „nach GDPdU“ zur Verfügung zu stellen, ist als unbegrenzter Zugriff auf alle elektronisch gespeicherten Unterlagen unabhängig von den gemäß § 147 Abs. 1 AO bestehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Steuerpflichtigen zu verstehen und damit rechtswidrig.

Die Finanzämter vergessen leider allzu oft, dass Einnahmen-Überschussrechner anderen Aufzeichnungspflichten unterliegen als buchführungspflichtige Steuerpflichtige. Zugegebenermaßen vergessen die Steuerpflichtigen ihrerseits oftmals, dass neben den Regelungen in § 4 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 7 EStG insbesondere § 22 UStG zu beachten ist. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass 4/3-Rechner der Finanzverwaltung vollkommen undifferenziert Zugriff auf ihren gesamten digitalen Datenbestand gewähren müssen. Und schon gar nicht müssen sie Papierbelege extra digitalisieren, damit die Betriebsprüfungen Auswertungen „fahren kann.“

Man kann es auch anders ausdrücken: Die Finanzverwaltung soll sich auf die Prüfung von Einnahmen und Ausgaben und die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen konzentrieren. Betroffene Steuerpflichtige müssen ihr insoweit auch durchaus einen Datenträger zukommen lassen, wenn sie – wie üblich – ein Datenverarbeitungssystem nutzen. Und innerhalb bestimmter Grenzen muss der Datenträger auch so beschaffen sein, dass die Finanzverwaltung die Daten maschinell auswerten, also Prüfroutinen und Plausibilitätsbeurteilungen durchführen kann. Doch das Ganze beschränkt sich auf solche Unterlagen, die zum Verständnis und zur Überprüfung der geltenden steuerlichen Aufzeichnungspflichten erforderlich sind und nicht darüber hinaus.

Eine ganz andere Frage ist insbesondere bei Berufsgeheimnisträgern, also etwa Rechtsanwälten, Steuerberatern und Ärzten, ob tatsächlich seitens der Finanzverwaltung die Überlassung eines Datenträgers, heutzutage zumeist eines USB-Sticks, verlangt werden kann, den der Prüfer sozusagen überall hin mitnehmen kann. Dazu der BFH: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der geschützten Daten von Berufsgeheimnisträgern Rechnung zu tragen und nach Möglichkeit auszuschließen, dass die Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Finanzverwaltung, z.B. infolge eines Diebstahls des Prüfer-Notebooks, in fremde Hände geraten können. Das heißt: Eine Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers ist unverhältnismäßig, wenn bei einem Berufsgeheimnisträger nicht sichergestellt ist, dass der Datenzugriff und die Auswertung der Daten nur bei ihm selbst oder im Finanzamt stattfindet.

Ich möchte das hier nicht weiter ausführen, doch ich bin sehr sicher, dass die Thematik in Zeiten des Homeoffices an Fahrt gewinnen wird. Früher oder später wird sich wohl der erste Steuerpflichtige, der nicht zugleich einer besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, erfolgreich gegen eine Prüfung seiner Unterlagen im Homeoffice des Finanzbeamten wehren.

 

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