Aufreger des Monats Oktober: Schenkungsteuer auch ohne Schenkung? Ja, das geht!

Als Schenkung unter Lebenden gilt jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Das ist der so genannte Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Mit meinen Worten ausgedrückt: Eine Schenkung ist nur dann eine Schenkung, wenn der Schenkende dem Beschenkten etwas Gutes tun will, also aus freien Stücken heraus bereichern will. So viel zum Grundsatz.

Und natürlich – wie sollte es in Deutschland auch anders sein – gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen. Eine besonders wichtige Ausnahme enthält § 7 Abs. 8 ErbStG. Als Schenkung gilt danach auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ein Gesellschafter durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt.

Das Wort „gilt“ bedeutet, dass Schenkungsteuer festgesetzt wird, auch wenn mitunter gar kein Wille zur Bereicherung vorhanden ist, also gar keine Schenkung vorliegt. Der BFH hat soeben entschieden, dass die Freigebigkeit der Leistung an die Gesellschaft ist – anders als beim Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit ist (BFH-Urteil vom 10.4.2024, II R 22/21). Für mich ist das der Aufreger des Monats.

Der Sachverhalt:

Herr B erbte gemeinsam mit seinen Kindern, seinem Bruder und seinen Neffen einen Anteil an der T-GmbH. Die übrigen Anteile hielt eine KG, an der wiederum Herr B mit zwei Brüdern beteiligt war. Die Miterben veräußerten ihren geerbten Anteil an der T-GmbH gemeinschaftlich zu einem Kaufpreis von 300.000 Euro direkt an die T-GmbH. Das Finanzamt sah hierin einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, denn seines Erachtens lag der Wert des veräußerten Geschäftsanteils bei über 1,8 Mio. Euro.

Letztlich wurden also Herr B und die anderen KG-Gesellschafter mittelbar bereichert. Herr B argumentierte hingegen, dass der Kaufpreis von 300.000 Euro wie unter fremden Dritten ausgehandelt worden sei. Ein Schenkungswille habe also nicht bestanden. Doch der BFH hat im Sinne des Finanzamts entschieden.

Die Begründung in aller Kürze:

§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG verdrängt als Spezialtatbestand den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Die Vorschrift verlangt – anders als der schenkungsteuerrechtliche Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – keine freigebige Vermögensverschiebung. Maßgebend für die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist allein die Werterhöhung von Anteilen an der Gesellschaft, die ein unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gesellschafter durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft erlangt.

Denkanstoß.

Endgültig entschieden hat der BFH aber noch nicht. Die Vorinstanz muss nun noch konkret feststellen, ob und in welcher Höhe die Leistung an die Gesellschaft tatsächlich zu einer Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft geführt hat. Der BFH führt im Rahmen seiner Urteilsbegründung aus, welche Grundsätze bei dieser Feststellung zu beachten sind. Betroffene sollten das Urteil in ähnlich gelagerten Fällen insoweit genau studieren.

Erst kürzlich hatte das FG Münster in einem anderen, aber durchaus vergleichbaren Fall zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden (Urteil vom 23.5.2024, 3 K 2585/21 Erb). Auch im Falle des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ergebe die Gesetzesauslegung, dass subjektiv ein „Wille zur Unentgeltlichkeit“ vorhanden sein müsse. Das Urteil des FG Münster zeigt, dass man § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auch anders hätte auslegen können als es der BFH getan hat. Dem Steuerpflichtigen wird diese Erkenntnis vermutlich kaum helfen: Das Finanzamt hat gegen das Urteil des FG Münster nämlich die Revision eingelegt und es steht – aufgrund der aktuellen Linie des BFH – zu befürchten, dass es diese gewinnen wird.

Letztlich kann also festgehalten werden, dass Schenkungsteuer auch ohne Schenkung festgesetzt werden kann.

Steuerrecht kann manchmal ziemlich absurd sein!

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