Aufwendungen im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren sind Werbungskosten

Kosten eines Rechtsstreits sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Auch Kosten einer Strafverteidigung sind nur selten abzugsfähig.

Prozess- und Anwaltskosten im unmittelbaren Zusammenhang zum beruflichen bzw. betrieblichen Bereich stellen hingegen abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Manchmal bewegen sich Aufwendungen aber im Spannungsfeld zwischen den einzelnen Bereichen.

So musste der BFH nun entscheiden, ob Kosten im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Sein Beschluss lautet: Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde (BFH-Beschluss vom 10.1.2024, VI R 16/21).

Der Sachverhalt:

Der Kläger, ein Berufssoldat, wurde aufgrund eines strafrechtlich relevanten Textbeitrags auf seinem privaten Facebook-Account rechtskräftig verurteilt. Zeitgleich wurde gegen ihn ein Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, in dem es auch um den Fortbestand des Dienstverhältnisses ging. Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren entstanden dem Soldaten Rechtsanwaltskosten von 1.785 Euro. Diese wollte er als Werbungskosten abziehen. Dem widersprach das Finanzamt mit dem Argument, dass Prozesskosten eines Strafverfahrens grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar sind. Doch der BFH sieht die Sache anders und lässt einen Werbungskostenabzug zu.

Die Begründung:

Prozesskosten für ein Strafverfahren sind grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar, weil es regelmäßig an einem Zusammenhang zwischen der Straftat und der beruflichen Tätigkeit fehlt. Bei den Prozesskosten für ein Wehrdisziplinarverfahren besteht ein solcher Zusammenhang zum Beruf jedoch, so dass die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Die Grundsätze, die zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens gelten, sind nicht auf Prozesskosten eines Wehrdisziplinarverfahrens übertragbar.

Gegenstand des Wehrdisziplinarverfahrens ist die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen wie Kürzung der Dienstbezüge, Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Die Aufwendungen für die Verteidigung im Wehrdisziplinarverfahren dienen daher unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis. Der Abziehbarkeit der Rechtsverteidigungskosten für das Wehrdisziplinarverfahren steht auch nicht entgegen, wenn die Dienstpflichtverletzungen teilweise Gegenstand eines Strafverfahrens gewesen sind. Nur die für das Strafverfahren aufgewandten Rechtsverteidigungskosten sind daher nicht als Werbungskosten abziehbar.

Denkanstoß:

Moralisch mag man vielleicht anderer Meinung sei, doch steuerrechtlich ist der BFH-Beschluss konsequent. Auf zwei Punkte möchte ich noch hinweisen:

  • Falls der Bund dem Kläger die notwendigen Auslagen des Wehrdisziplinarverfahrens gemäß § 140 WDO in einem zukünftigen Veranlagungszeitraum gegebenenfalls zu erstatten hat, hätte eine solche Erstattung nicht die Versagung des ursprünglichen Abzugs der Werbungskosten zur Folge, sondern sie wäre eine steuerpflichtige Einnahme im Jahr des Zuflusses bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen zuvor als Werbungskosten abgezogen wurden.
  • Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht ausnahmsweise dann, wenn dem Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird aber aufgehoben, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers von privaten Gründen getragen wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 17.8.2011, VI R 75/10). Letztlich ist die Rechtsprechung des BFH diesbezüglich sehr restriktiv.

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