BFH hält gewerbesteuerliche Hinzurechnung für verfassungsgemäß – wird das BVerfG helfen?

Die gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungsvorschriften stehen nicht in Widerspruch zur Verfassung – jedenfalls nicht nach Ansicht des BFH (Urteil vom 14.06.2018, III R 35/15). Damit bestätigt das oberste deutsche Finanzgericht eine überaus ärgerliche Substanzbesteuerung, die für viele Unternehmen existenzbedrohend sein kann. Da ein Einlenken des Gesetzgebers wenig wahrscheinlich ist, bleibt an sich nur noch der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht – allerdings nur mit vagen Erfolgsaussichten.

Worum geht es?

Die Gewerbesteuer will nach ihrer Zielrichtung die objektive Ertragskraft des gewerblichen Unternehmens besteuern. Sie wird deshalb auch als „Objektsteuer“ bezeichnet. Weil es auf die Art der Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital nicht ankommt, mindern Finanzierungszinsen des Unternehmers zwar bei der Einkommensteuer den steuerlichen Gewinn, werden jedoch bei der Gewerbesteuer wieder hinzugerechnet.

Bis einschließlich 2007 wurden als Finanzierungskosten vor allem Schuldzinsen zur Hälfte hinzugerechnet, landläufig „Dauerschuldzinsen“ genannt. Über den Begriff haben Finanzverwaltung und Unternehmen aber immer wieder gestritten: Finanzierungskosten für den Erwerb von Umlaufvermögen wurden beispielsweise nicht als Dauerschuldzinsen deklariert, hingegen Schulden mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr sehr wohl. Für Erhebungszeiträume ab 2008 regelt das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008, dass nunmehr sämtliche Schuldzinsen hinzugerechnet werden. Es kommt also nicht darauf an, ob die Schuld lang- oder kurzfristiger Natur ist.
Betroffen sind nicht nur Entgelte für Darlehen, sondern auch Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter, unbewegliche Wirtschaftsgüter oder die Überlassung von immateriellen Rechten. Allerdings sieht die Neuregelung seit 2008 auch einen Freibetrag von 100.000 Euro vor. Um diesen mit der Folge der Hinzurechnung zu überschreiten, bedarf es bei einem Zinssatz von angenommen 5 % p.a. einer durchschnittlichen Verbindlichkeit von zwei Millionen Euro pro Jahr. In der Praxis unterfallen aufgrund dieses Freibetrages also viele kleinere Gewerbetreibenden nicht der Hinzurechnungsregelung, zumal der Freibetrag betriebsbezogen gewährt wird.

Dennoch: Auf diese seit 2008 geltende Hinzurechnungsbesteuerung hat es immer wieder Kritik „gehagelt“. Begründet wurde diese Kritik mit einer unzulässigen Substanzbesteuerung, die zu einer übermäßigen steuerlichen Belastung führt. Denn die Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 GewStG können dazu führen, dass selbst mit Verlust arbeitende Unternehmen allein aufgrund der Hinzurechnungen einen positiven Gewerbeertrag erzielen und deshalb Gewerbesteuer zahlen müssen. Mit diesem Vorwurf musste sich auch der BFH in seiner neuen Entscheidung auseinandersetzen.

Wie hat der BFH geurteilt?

Im Streitfall ergab sich für die Klägerin, eine Hotelkette, im Streitjahr 2008 durch die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für ein Hotelgebäude nach Abzug eines Verlustvortrages einen Gewerbeertrag von mehr als 2,2 Mio. €, obwohl sie einen steuerlichen Verlust von 3,6 Mio. € (handelsrechtlich sogar 8,8 Mio. €) erlitten hatte. Gegen den gewerbesteuerlichen Mess- und Feststellungsbescheid machte die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Den BFH überzeugte das – wie schon bei der alten Fassung des § 8 GewStG vor 2008 – nicht. Nach seinem Verständnis rechtfertigt der Objektsteuercharakter selbst eine massive gewerbesteuerliche Substanzbesteuerung. Eine ertragsorientierte Objektsteuer – selbst wenn sie extrem belaste – verstoße weder gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs. 1 GG) noch gegen die Gewerbefreiheit (Art.12 GG) noch gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Das objektive Nettoprinzip des Einkommensteuerrechts ist für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gerade nicht maßgebend, der Besteuerungsgrundsatz nach der Leistungsfähigkeit trete zurück (BFH a.a.0, Rz 21). Auch bei der Rückwirkung kennt der BFH keine Gnade. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gehe nicht so weit, vor „jeder Enttäuschung“ zu bewahren. Die allgemeine Erwartung, das Geltende werde künftig unverändert fortbestehen, genieße keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

Wie ist das Urteil zu bewerten?

Das BFH-Urteil ist ein Nackenschlag für tausende Unternehmen. Sie werden mitunter weiterhin Steuern etwa durch die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen zahlen müssen. Pächter stehen damit schlechter als Eigentümer, ein wirtschaftliches Desaster insbesondere für viele Händler und Dienstleister, die in teuren Innenstadtlagen hohe Mieten und Pachten zahlen müssen.

Auch wenn das Urteil aus Unternehmersicht mehr als ärgerlich ist: Hilfe vom Bundesverfassungsgericht ist kaum zu erwarten. Denn zum vergleichbaren Problem der früheren Dauerschuldzinsen hat das BVerfG verfassungsgerichtliche Kritik nicht gelten lassen (BVerfG v. 13.05.1969- 1 BvR 25/65, BStBl 1969 II S. 424). Und auch zum aktuellen Recht hat das BVerfG schon durchblicken lassen, dass es die Hinzurechnungsvorschriften weiter dulden wird (BVerfG v. 15.02.2016 – 1 BvL 8/12). Auch auf den EuGH zu bauen, verspricht wenig Aussicht auf Erfolg. Denn dieser hat bereist entschieden, dass die deutsche gewerbesteuerliche Hinzurechnung nicht gegen die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie (2003/49/EG) verstößt (EuGH v. 21.07.2011 – C-397/09, BStBl 2012 II S. 528).

Bleibt also nur den Funken Hoffnung, dass sich der Gesetzgeber bewegt und fiskalische Interessen hintanstellt – aber wann…?

Weitere Informationen:
BFH v. 14.06.2018 – III R 35/15
BVerfG v. 15.02.2016 – 1 BvL 8/12
EuGH v. 21.07.2011 – C-397/09

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