Billigkeitserlass bei unzutreffenden Rechnungen mit Steuerausweis als Rettungsanker?

Wer Umsatzsteuer in einer Rechnung offen ausweist, schuldet diese im Prinzip „ohne wenn und aber“. Die Finanzverwaltung gewährt einen Billigkeitserlass nur in wenigen Ausnahmefällen. Betroffene können nun allerdings eventuell von einem aktuellen BFH-Urteil profitieren. Danach kann ein Billigkeitserlass gerechtfertigt sein, wenn sich zwei Unternehmer ausgehend von den zivilrechtlichen Vereinbarungen gegenseitig Rechnungen mit Steuerausweis erteilen und sich diese Annahme der Umsatzsteuerbarkeit später als unzutreffend erweist. Dabei darf allerdings zuvor keine gefestigte Rechtsprechung vorgelegen haben. Die Fehlannahme muss also entschuldbar gewesen sein. Zudem darf bei einer Gesamtbetrachtung keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen (BFH-Urteil vom 27.9.2018, V R 32/16).

Der hier etwas verkürzt dargestellte Fall: Die Klägerin ist aufgrund mehrerer Verschmelzungen Gesamtrechtsnachfolgerin der G-GmbH (GmbH). Die GmbH ging bei einem so genannten Sale-and-Mietkauf-back davon aus, dass sie Gegenstände von ihren Kunden umsatzsteuerpflichtig erworben und an diese umsatzsteuerpflichtig geliefert habe. In ähnlicher Weise nahm sie beim so genannten Bestelleintritt an, dass Lieferanten an sie umsatzsteuerpflichtig geliefert haben und sie die Kunden umsatzsteuerpflichtig beliefert habe. Das Finanzamt nahm demgegenüber an, dass die Klägerin aus Eingangsrechnungen in beiden Geschäftsbereichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, während sie die Steuer aus von ihr unzutreffend erteilten Rechnungen mit Steuerausweis schulde.

Neben ihrem Rechtsbehelf beantragte die GmbH einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, den sie mit Nichtbeanstandungsregelungen des BMF begründete. Der BFH hat einem Erlass aus Billigkeitsgründen hinsichtlich der Sale-and-Mietkauf-back-Geschäfte zugestimmt, hinsichtlich des Bestelleintritts jedoch verworfen. Der Streitpunkt Bestelleintritt weise keine Besonderheiten auf, die einen Anspruch auf Billigkeitserlass vermitteln. Es gehe hier um eine Kette von Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis, nicht um eine gegenseitige Erteilung von Rechnungen zwischen zwei Personen. Darüber hinaus beruhte der Steuerausweis in den Rechnungen auf einer ohne weiteres vermeidbaren Fehlbeurteilung.

Demgegenüber sei der Anspruch auf einen Billigkeitserlass in Bezug auf den Steuerausweis bei den Sale-and-Mietkauf-back-Geschäften zu bejahen. Die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs und die Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis beruhte auf rechtlichen Fehlvorstellungen zu Rechtsfragen, zu denen in den Streitjahren noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Beteiligten bei der Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis von ihren zivilrechtlich getroffenen Vereinbarungen ausgegangen sind. Es lägen zudem keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Handeln in Hinterziehungsabsicht vor.

Hinweis: Natürlich sollten Unternehmer in entsprechenden Fällen stets prüfen, ob Rechnungsberichtigungen zielführender sind. Sofern diese aber nicht in Betracht kommen, kann das aktuelle Urteil hilfreich sein. Die Praxis zeigt übrigens, dass die Finanzverwaltung ablehnende Billigkeitsentscheidungen oftmals nicht hinreichend begründet, das heißt, ihre Ermessensausübung nicht ausreichend darstellt. Dadurch sind solche Entscheidungen allein schon verfahrensrechtlich angreifbar.

Weitere Informationen:

BFH v. 27.09.2018 – V R 32/16

 

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