Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung

Allein die Abgabe einer Jahressteuererklärung, in der die Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln berechnet wird, löst keine erneute fünfjährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war – so das FG Münster (Urteil v. 7.11.2019 – 5 K 1768/19 U; Rev. BFH XI R 34/19)

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist seit dem Jahr 2006 unternehmerisch tätig. Im Gründungsjahr 2006 optierte er zur Regelbesteuerung. In den Folgejahren bis einschließlich des Kalenderjahres 2016 gab der Kläger Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Regeln berechnete. In den Jahren 2011 und 2012 erzielte er Bruttoumsätze oberhalb von 17.500 Euro. In den weiteren Jahren lagen seine Bruttoumsätze unterhalb der Grenze von 17.500 Euro. Mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 beantragte der Kläger erstmalig den Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft im Streitjahr 2017 nicht möglich sei, da der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre von der Option nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit gebunden sei. Im Jahr 2016 habe er zwar nur laufende Umsätze in Höhe von 4.741 Euro erzielt, durch die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit Ausweis von Umsätzen und Vorsteuern habe er jedoch wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Hieran sei er fünf Jahre gebunden, so dass er frühestens ab dem 1.1.2021 zur Kleinunternehmerschaft wechseln könne. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Die Begründung des FG:

Ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer kann dem Finanzamt gegenüber auch konkludent erklärt werden, und zwar in der Weise, dass der Kleinunternehmer dem Finanzamt auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

Bei der Würdigung des konkludenten Verhaltens kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das Finanzamt der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt. In Zweifelsfällen muss das Finanzamt den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Die Beseitigung etwa bestehender Zweifel ist wegen der erheblichen Rechtsfolgen, nämlich der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für mindestens fünf Kalenderjahre geltenden Bindung des Verzichts auf die Kleinunternehmerbesteuerung, aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.

Schlüssiges Verhalten kann zwar auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat. Allein die Abgabe einer Jahressteuererklärung (hier: für 2016), in der die Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln berechnet wird, löst aber keine erneute fünfjährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war. Denn anderenfalls würde der optierende Kleinunternehmer, der zwischenzeitlich zeitweilig die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG überschreitet, mit einem jeweils erneuten Beginn der Bindungsfrist bestraft. Für eine solche Schlechterstellung gegenüber dem zur Umsatzsteuer optierenden Kleinunternehmer, der die Umsatzgrenzen dauerhaft nicht überschreitet, gibt es jedoch keinen Grund.

Daraus folgt:

Der Kläger hatte bereits erstmals im Gründungsjahr 2006 auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Die hierdurch ausgelöste fünfjährige Bindungswirkung des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG war damit bereits zum Ende des Jahres 2010 ausgelaufen. Ab diesem Zeitpunkt bestand für den Kläger jährlich unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG, d.h. bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des jeweiligen Kalenderjahrs, die Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung. Einen Widerruf hat der Kläger jedoch erstmalig für das Streitjahr 2017 mit der Steuererklärung 2017 erklärt.
Die Tatsache, dass der Kläger zwischenzeitlich wegen der Überschreitung der Umsatzgrenze von 17.500 Euro in den Jahren 2012 und 2013 (maßgebende Umsätze: Vorjahre 2011 und 2012) kein Kleinunternehmer mehr war (und ihm deshalb in diesem Zeitraum keine Option zur Regelbesteuerung bzw. kein Widerrufsrecht zustand), führt entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht dazu, dass nach erneutem Eintritt der Kleinunternehmervoraussetzungen aufgrund der Abgabe von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ein Neubeginn der fünfjährigen Bindungsfrist angenommen werden kann.

Hinweis:

Wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts ist die Revision zugelassen worden, die zwischenzeitlich auch beim BFH vorliegt. Betroffene sollten sich auf dieses Verfahren berufen und ein Ruhen ihres eigenen Falles beantragen.
Zum 1.1.2020 ist bei der Kleinunternehmerregelung die Vorjahres-Umsatzgrenze von 17.500 Euro auf 22.000 Euro angehoben worden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG, geändert durch das „Dritte Bürokratieentlastungegesetz“). Kleinunternehmer können also bereits im Jahr 2019 (= Vorjahr) einen Umsatz bis 22.000 Euro erzielen und im Jahre 2020 dennoch die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wählen (bei einem Umsatz von max. 50.000 Euro in 2020).

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