Chaos bei der Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes – reloaded

Soeben habe ich mich ausführlich mit der Neuregelung zur Überlassung von Fahrrädern und E-Bikes befasst, das heißt, neben den gesetzgeberischen Neuregelungen mit dem koordinierten Ländererlass vom 9.1.2020. Ehrlich gesagt bin ich an dem Thema – wie ziemlich genau vor einem Jahr – fast verzweifelt.

Zur Erinnerung: Seit dem 1.1.2019 ist der private Nutzungswert aus der Überlassung eines Firmenfahrrads für den Mitarbeiter steuerfrei und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung ist, dass das Fahrrad zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, z.B. anstelle einer Gehaltserhöhung. Die Steuerbefreiung gilt für Fahrräder und Elektro-Fahrräder, die verkehrsrechtlich als Fahrrad einzuordnen sind, z.B. Pedelecs. Gesetzlich nicht begünstigt ist die Überlassung eines Firmenfahrrads im Rahmen einer Gehaltsumwandlung.

Im März letzten Jahres hatten sich dich Länderfinanzbehörden darauf verständigt, auch in Fällen der Gehaltsumwandlung eine Steuerermäßigung einzuführen. Als geldwerter Vorteil steuerpflichtig ist danach seit dem 1.1.2019 monatlich 1 % des halbierten Listenpreises.

Jüngst haben sich dich Länderfinanzbehörden wieder zusammengesetzt und wie folgt verständigt: Bei der Überlassung eines Fahrrades ab 1.1.2020 ist nur noch ein Viertel des Listenpreises des Fahrrades als Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung anzusetzen. Für die Zeit vom 1.1.2019 bis zum 31.12.2019 galten noch – wie erwähnt – ein Halb des Listenpreises des Fahrrades als Bemessungsgrundlage.

Genauer gesagt muss es ab 1.1.2020 heißen: Als monatlicher Durchschnittswert der privaten Nutzung (Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung) werden 1 % eines auf volle 100 Euro abgerundeten Viertels der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrads einschließlich der Umsatzsteuer festgesetzt (koordinierter Ländererlass vom 9.1.2020, S 2334).

Nun stellen sich mir folgende Fragen:

  • Warum hat es der Gesetzgeber nicht geschafft, die Steuerbegünstigung, die bislang nur im Verwaltungswege per Billigkeit geschaffen worden ist, innerhalb eines Jahres ins Gesetz zu gießen, wo er doch sonst jede Kleinigkeit regelt?
  • Warum haben wir immer noch keinen Gleichklang zwischen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerrecht?
  • Gilt die – nur per Erlass geregelte Billigkeitsregelung – auch für das Beitragsrecht?
  • Versteht noch irgendjemand die Anwendungszeitpunkte? Beispiel: Warum gilt die Viertel-Regelung erst ab 2020 und nicht bereits ab 2019?
  • Welchen Zweck verfolgt der Gesetzgeber – jenseits von reinem Aktionismus – ernsthaft mit der neuen Pauschalierungsmöglichkeit für die Schenkung von Fahrrädern (§ 40 Abs. 2 Nr. 7 EStG)?
  • Wie ist in den Fällen umzugehen, die – nun rückwirkend – unter die neue positive BFH-Rechtsprechung zum Wechsel der Lohnform fallen (BFH-Urteile vom 1.8.2019, VI R 32/18, VI R 21/17, VI R 40/17), bei denen aber absehbar ist, dass sich insoweit eine gesetzgeberische Änderung einstellt?
  • Warum haben die Länderfinanzbehörden es in ihrem Erlass immer noch nicht fertiggebracht, wenigstens ein einziges Beispiel zum Verständnis ihrer Regelung zu bringen?
  • Wo liegt eigentlich die Rechtfertigung für die Billigkeitsregelung, wenn wir „nur“ einen Erlass der Länder, nicht aber des Bundes haben? Sind die Gerichte dann „im Fall der Fälle“ überhaupt an den Erlass gebunden?
  • Wie viele Menschen unternehmen Familienheimfahrten anlässlich der doppelten Haushaltsführung mit dem Fahrrad? Immerhin ist dieser Sachverhalt in dem Erlass explizit erwähnt.

Fragen über Fragen.

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