Corona-Rückholaktion: Finanzämter versagen Abzug als außergewöhnliche Belastung – zurecht?

Im Frühjahr 2020 mussten unzählige Bürger ihren Urlaub abbrechen und wurden durch Flugzeuge, die vom Auswärtigen Amt gechartert wurden, nach Deutschland zurückgeholt. Seit Juni des vergangenen Jahres haben die zurückgeholten Reisenden Rechnungen des Auswärtigen Amtes über Kostenbeteiligungen von 200 Euro bis 1.000 Euro erhalten.

Soweit ersichtlich, lehnen die Finanzämter einen Abzug der Kostenbeteiligung als außergewöhnliche Belastung ab. Zwar kommt bei geschäftlichen Reisen ein Abzug der Kosten als Betriebsausgabe oder Werbungskosten in Betracht, doch nachfolgend soll es um private Reisen gehen.

Auf den ersten Blick ist man eigentlich schnell geneigt, einen Abzug der Kosten zu bejahen. Sie sind zwangsläufig entstanden und eine Pandemie ist ein außergewöhnliches Ereignis. Allerdings hat mein Blogger-Kollege Michael Heine bereits vor einigen Monaten auf ein älteres Urteil des Niedersächsisches FG vom 16.9.1993 (II 430/91) aufmerksam gemacht. Seinerzeit sind die zusätzlichen Kosten für einen Flug nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden. Die höheren Kosten musste die Familie damals in Kauf nehmen, weil sie den Ursprungsflug wegen der kriegerischen Ereignisse in Kuwait nicht in Anspruch nehmen konnte.

Für die Frage der Zwangsläufigkeit müsse auf die wesentlichen Ursachen für die Entstehung des Aufwandes zurückgegriffen werden – so die Finanzrichter. Es sei deshalb stets danach zu fragen, ob das Ereignis, dessen Folge der zusätzliche Aufwand ist, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Folglich müsse auch auf die Lebensvorgänge zurückgegriffen werden, die die Verpflichtung ausgelöst haben. Es könne daher nicht unbeachtet bleiben, dass der Aufwand der Kläger seine Ursache in einer privaten Reise der Kläger hatte.

Die Finanzverwaltung vertritt nun wohl ganz überwiegend die gleiche Auffassung. Die Kostenbeteiligung nach dem Konsulargesetz sei nicht abziehbar, weil sie bei Urlaubsreisen nicht zwangsläufig entstanden sei. Letztlich sei die Urlaubsreise nicht notwendig gewesen.

Nur: Wenn diese Argumentation Schule macht, wird man so gut wie jeder Ausgabe den Abzug als außergewöhnliche Belastung versagen müssen. Beispiele:

  • Ein Steuerpflichtiger verunglückt auf dem Weg zu einem Fußballspiel schwer.
  • Ein Steuerpflichtiger beißt bei einer privaten Feier auf einen Kirschkern, der sich im Kuchen befand und bricht sich ein Stück Zahn aus.

Auch hier war die jeweilige „Ursache“ nicht zwangsläufig. Man musste ja nicht zum Fußballspiel und man musste auch nicht zu der privaten Feier. Insofern ist die Haltung der Finanzverwaltung und des FG in Sachen „Corona-Rückholaktion“ zumindest angreifbar.

Aber es hilft nichts: Betroffene werden voraussichtlich klagen müssen. Dabei ist er Ausgang mehr als ungewiss – siehe das Urteil aus Niedersachsen.

Weitere Informationen:

Heine: Corona-Rückholaktion: Kostenbeteiligung als außergewöhnliche Belastung abziehbar? (nwb-experten-blog.de)


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