Der Aufstieg der Textform. Auswirkungen eines „Bürokratieabbaus“ auf die Dunkle Bedrohung der Schriftform des § 550 BGB

Das Problem aus tiefer Vergangenheit stammt, Unrecht verhindern sollte § 550 BGB, Unrecht geschaffen wurde aber damit. Weitere Schutzzwecke gefunden der BGH hat, Verwirrung gestiftet er damit. Verschiedene Vorstellungen es gibt, zu lösen die Frage, tapfere Ritter aus der Literatur gekämpft haben mit Laserstiften lange.

Soll abgeschafft werden § 550 BGB oder versucht werden eine Reform? Oh, verworren und unklar der Pfad zur hellen Seite der Macht ist…

Die dunkle Bedrohung

Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, gilt er gem. § 550 BGB für unbestimmte Zeit. Ein langfristig abgeschlossener Vertrag wird bei einem Verstoß gegen die Schriftform also kündbar. Der BGH hat sämtlichen kautelarjuristischen Rettungsversuchen eine klare Absage erteilt, die über Schriftformheilungsklauseln die Bindung der Parteien an die eigentlich vereinbarte Laufzeit des Vertrages wiederherstellen wollten. In der Praxis führt es oft dazu, dass entweder Vermieter (oft Erwerber) unliebsame Mieter loswerden oder Mieter aus unliebsamen Mietverträgen aussteigen können.

Das Erwachen der Macht

Der Ruf nach einer Reform bzw. einer Lösung besteht schon länger. Fahrt aufgenommen hatte die Diskussion nach zwei Aufsätzen in 2018 und 2019, dann gab es eine Bundesratsinitiative (1), die versandete aber. Am 30.08.2023 hatte das BMJ ein „Eckpunktepapier für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)“(2) veröffentlicht: Dort heißt es auf Seite 5 im ersten Punkt:

„Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wollen wir Schriftformerfordernisse insbesondere im Vereins-, Schuld- und Mietrecht aufheben. Beispielsweise soll das Schriftformerfordernis für Mietverträge über Gewerberäume gestrichen werden.“

Der Berichterstatter war elektrisiert. Sollte die Dunkle Bedrohung im Geschäftsraummietrecht allen Erstens beendet werden? Aber damit nicht genug: Am 13. März 2024 gab es dann plötzlich einen Gesetzentwurf der Bundesregierung IV (3).

Der Aufstieg der Textform

Darin wird – durch eine Änderung in § 578 BGB – § 550 BGB bei Nicht-Wohnraummietverträgen schlicht die Schriftform durch die Textform ersetzt. Für bestehende Mietverträge gilt eine 12-monatige Übergangsfrist. Der alte § 550 BGB gilt während der Übergangsfrist weiter. Während dieser Übergangszeit sind Kündigungen nach altem Recht möglich. Bei Mietverhältnissen bei denen– egal ob bei Abschluss oder bei Nachträgen – zwar nicht die Schriftform, aber die Textform eingehalten ist, sind Schriftformmängel daher nach Ablauf der Übergangsfrist „geheilt“. Wurde auch die Textform nicht eingehalten, verbleibt es bei der bisherigen Rechtsfolge.

Das Ende der Saga?

Ich hoffe, dass sich der Entwurf durchsetzt. Denn ein Aspekt, der in der juristischen – vor allem dogmatisch geführten – Diskussion m.E. zu wenig betrachtet wurde, ist die Frage, warum der Vertrag kündbar wurde. Nach meiner persönlichen Wahrnehmung wird die Ursache – also der Schriftformverstoß – in den wenigsten Fällen bewusst herbeigeführt wird und auch nicht bemerkt. Sogar bei „professionellen“ oder beratenen Mietvertragsparteien passiert das einfach. Daher sollte Ausgangspunkt aller Überlegungen weder die Überlegung des historischen Gesetzgebers noch dogmatischen Kunstgriffe der Rechtsprechung sein. Diese Ansätze sind Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie bei den Mietvertragsparteien mangels Kenntnis keine Rolle spielen.

Der Ursprung des Problems

Die Frage, ob Kauf die Miete bricht oder nicht, wurde vom historischen Gesetzgeber so entschieden, dass der Mieter geschützt wird, weil der Mietvertrag wie eine dingliche Last am Grundstück haftet. Dieser Mieterschutz wurde durch die Kündigungsmöglichkeiten des Erwerbers „erkauft“. Denn er sollte nicht an einen Vertrag gebunden werden, deren Inhalt er nicht vollständig kennt. Glaubt man den Quellen, war eine Überlegung, langfristige Mietverträge einfach in das Grundbuch einzutragen. Dies wurde dann verworfen, weil das als unpraktikabel galt.

Moderne Zeiten

Das gilt heute aber nicht mehr: Die Kommunikation zwischen den Parteien erfolgt heute schon weitgehend digital. Im Privatbereich werden Wohnraumietverträge über WhatsApp angebahnt (und meistens schon – unbemerkt) auch abgeschlossen. Im geschäftlichen Bereich dürfte die E-Mail das am meisten verwandte Mittel sein.

Daher scheint mir der Ansatz, auf die Textform zu setzen – jedenfalls rein praxisbezogen – sehr sinnvoll. Bei der Kommunikation zwischen den Mietvertragsparteien über E-Mail entsteht meist ein sogenannter E-Mail Thread, sodass hier der gesamte Kommunikationsverlauf ohne weiteres nachvollziehbar ist. Auch bei Messenger-Diensten ist der „Gesprächs“-verlauf sichtbar.

In der Regel wird man davon ausgehen können, dass die E-Mails bei normalem Geschäftsverlauf (wieder auffindbar) gespeichert werden. Auch Messenger-Nachrichten lassen sich speichern und Telefon- oder Videogespräche lassen sich aufnehmen und dauerhaft speichern. Der Vermieter hat mithin kein Problem, sämtliche Kommunikation niederzulegen und diese im Falle der Veräußerung dem Erwerber offenzulegen.

Blick in die Zukunft

In der ganzen aktuellen Aufregung über die großen Sprachmodelle ist ein Aufreger-Thema der letzten 5 Jahre etwas in Vergessenheit geraten – die Blockchain-Technologie. Diese würde es ermöglichen, sämtliche Kommunikation zwischen den Parteien auf Dauer und vor allem nicht veränderbar abzulegen. Die Informationsfunktion für Erwerber sowie die Beweisfunktion für die Parteien wäre erfüllt. Auch die Warnfunktion wäre wohl deutlich angesprochen, wenn sich die Parteien vor dem Abschluss des Vertrages konkrete Überlegungen über die Art und Weise ihrer Kommunikation machen müssen.

Es geht bei dieser Überlegung nicht um die vollständige Digitalisierung des Vertrages im Sinne eines „Smart Contracts“ von Vertragsanbahnung bis Durchführung, sondern zunächst darum, dass die Parteien ein Werkzeug vereinbaren, um eine lückenlose Dokumentation dessen bewerkstelligen zu können, was „besprochen“ wurde. Die Einrichtung einer Blockchain bei heutiger Technik wäre angesichts der relativ hohen Komplexität und vor allem auch ihrer nicht gerade nachhaltigen Technologie für normale Mietvertragsparteien zugegebenermaßen eher das „große Besteck“. Es würde aber schon genügen, wenn die Parteien eine bestimmte Kommunikationsplattform für die Kommunikation untereinander vereinbaren würden.

Aus meiner Sicht wäre es jedenfalls schon heute machbar, die im Jahr 1900 als unpraktikabel angesehen Überlegung in die Tat umzusetzen, die Verträge – und die nachträglichen nachtragswürdigen Abreden – in ein Verzeichnis einzutragen. Das muss nicht das Grundbuch sein, ein digitales Verzeichnis würde genügen. Aus diesem würde sich dann auch recht zwanglos der „Datenraum“ ergeben, den der Erwerber für die due Diligence braucht.

Hoffnung es gibt, die dunkle Bedrohung beseitigt werden kann.

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