Die steuerliche „Neubewertung“ von Vereinen

Gestern hat es eine steuerliche Meldung sogar in die heute-Nachrichtensendung um 19.00 Uhr geschafft: Der attac-Trägerverein ist nach dem Urteil des BFH vom 10.1.2019 (V R 60/17) nicht gemeinnützig tätig, weil er eher allgemeinpolitisch agiert. In der Pressemeldung des BFH heißt es dazu: „Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig. Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat.“ Und weiter:

„Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen. Nach dem Urteil des BFH ist der attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei „Kampagnen“ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z.B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.“

Die Entscheidung des BFH ist von öffentlichem Belang und zeigt ein neues oder anderes Verständnis zum Thema „Gemeinnützigkeit.“ Ich bin aber sicher, dass die „Neubewertung“ von Vereinen nicht nur im Gemeinnützigkeitsrecht, sondern gerade auch im Umsatzsteuerrecht erfolgen wird. Im Fokus stehen Vereine, die „gesonderte“ Leistungen für ihre Mitglieder erbringen, also etwa Sportvereine mit aufwendigen Sportstätten. In steuerlicher Hinsicht „bedroht“ sind aber auch Vereine, die etwa eine kostenlose Rechts- und Steuerberatung oder Energieberatung anbieten oder sonstige Leistungen erbringen, für die die Mitglieder an anderer Stelle ein mehr oder weniger hohes (umsatzsteuerpflichtiges) Entgelt erbringen müssten.

Und zugegeben: Bei immer mehr Vereinen entsteht der Eindruck, die Mitglieder sind dort nicht mehr im eigentlichen Sinne als „Vereinsmitglieder“ aktiv, sondern nehmen nur dankend die verbilligten Leistungen (z.B. auch Einkaufsrabatte, günstigere Versicherungskonditionen usw.) in Anspruch. Das Vereinsleben oder der Vereinszweck geraten immer mehr in den Hintergrund. Da verwundert es nicht, dass dies das Interesse der Umsatzsteuer-Sonderprüfer weckt.

Vereinsvorstände sind jedenfalls – gerade auch aus Haftungsgesichtspunkten – gut beraten, bei Gelegenheit prüfen zu lassen, ob und inwieweit ihre Mitgliedsbeiträge noch umsatzsteuerfrei sind. Ich jedenfalls würde diesbezüglich nur noch für wenige Vereine die „Hand ins Feuer“ legen.

Weitere Informationen:

BFH v. 10.01.2019 – V R 60/17

 

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